Die Entfernung eines großen Kardinals -
12. November 2014 Giuseppe Nardi Der Vatikan und die Piusbruderschaft,
Papst Franziskus und das Silbertablett für Lehmann Kommentar von Roberto de Mattei*
(Rom) Der Papst hat als oberster Hirte der Weltkirche das volle Recht, einen Bischof oder Kardinal, auch einen bedeutenden, aus seinem Amt zu entfernen. Berühmt ist der Fall von Kardinal Louis Billot (1846-1931), einem der führenden Theologen des 20. Jahrhunderts, der 1911 vom heiligen Pius X. zum Kardinal kreiert wurde. Am 13. September 1927 gab er das Kardinalsbirett Pius XI. zurück, mit dem er wegen der Action Française in Konflikt geraten war, und beendete sein Leben als einfacher Jesuit in der Ordensniederlassung von Galloro.
Ein anderer eklatanter Fall ist der von Josef Kardinal Mindszenty, der von Paul VI. wegen seiner Opposition zur neuen „Ostpolitik“ des Vatikans als Erzbischof von Esztergom und Primas von Ungarn abgesetzt wurde.
In den vergangenen Jahren wurden zudem viele Bischöfe abgesetzt, weil sie in finanzielle oder moralische Skandale verwickelt waren.
Gläubige haben ein Recht, nach den Gründen zu fragen
Kardinal Burke mit Pater Manelli, Gründer der Franziskaner der Immakulata So wie niemand dem souveränen Pontifex das Recht absprechen kann, jeden Prälaten aus Gründen abzusetzen, die er für angebracht hält, so kann niemand den Gläubigen ihr Recht nehmen, als vernunftbegabte Wesen und als Getaufte die Gründe dieser Absetzungen zu hinterfragen, besonders dann wenn diese nicht ausdrücklich genannt werden. Das erklärt die Bestürzung vieler Katholiken über die offiziell vom vatikanischen Presseamt am 8. November veröffentlichte Nachricht der Versetzung von Kardinal Raymond Leo Burke vom Amt des Präfekten der Apostolischen Signatur zum Kardinalpatron des Malteserordens.
Wenn nämlich, wie in diesem Fall, die Verschiebung einen noch relativ jungen Kardinal (66 Jahre) betrifft und von einem Posten größter Bedeutung auf einen bloßen Ehrenposten erfolgt, ohne den gewohnheitsmäßigen, wenn auch diskutablen Grundsatz des promoveatur ut amoveatur einzuhalten, dann handelt es sich offensichtlich um eine öffentliche Strafaktion. In diesem Fall ist es erlaubt, nach den Anschuldigungen zu fragen, die gegen den betroffenen Prälaten geltend gemacht werden. Kardinal Burke hat seine Aufgabe als Kardinalpräfekt des Obersten Gerichtshofs auf höchst lobenswerte Weise erfüllt. Er wird von allen als hervorragender Kirchenrechtler geschätzt und ist ein Mann von einem tiefgründigen geistlichen Innenleben. Und nicht zuletzt wurde er erst kürzlich von Benedikt XVI. als ein „großer Kardinal“ bezeichnet. Wessen ist er also schuldig?
Einigkeit bezüglich Gründe: „zu konservativ“ und uneins mit Papst Franziskus
Die Vatikanbeobachter der verschiedensten Richtungen haben auf diese Frage in erstaunlichem Einklang deutlich geantwortet. Kardinal Burke sei schuldig, „zu konservativ“ und uneins mit Papst Franziskus zu sein. Nach der unglückseligen Relatio von Kardinal Kasper beim außerordentlichen Kardinalskonsistorium vom 20. Februar 2014 betrieb der amerikanische Kardinal die Veröffentlichung eines Buches, in dem fünf führende Kardinäle und weitere Experten respektvoll ihre Vorbehalte gegen die neue vatikanische Linie vorbrachten, die die Möglichkeit öffnet, den wiederverheiratet Geschiedenen die Kommunion zu gewähren und die nicht ehelichen Partnerschaften anzuerkennen. Die Sorge der Kardinäle wurde durch die Bischofssynode von Oktober bestätigt, bei der die gewagtesten Thesen auf der Ebene der Orthodoxie sogar in die Zusammenfassung aufgenommen wurden, die dem Schlußbericht vorausging.
Papst servierte Kasper und Lehmann Kardinal Burkes Kopf auf dem silbernen Tablett
Die Kardinäle Walter Kasper und Karl Lehmann Der einzige plausible Grund für die Entfernung ist, daß der Kopf von Kardinal Burke vom Papst Kardinal Kasper und durch diesen Kardinal Karl Lehmann, dem ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, auf dem silbernen Tablett serviert wurde. Es ist allgemein bekannt, jedenfalls in Deutschland, daß die Fäden des deutschen Widerspruchs gegen Rom hinter den Kulissen noch immer von Lehmann gezogen werden, dem Schüler von Karl Rahner.
Pater Ralph Wiltgen verdeutlichte in seinem Buch „Der Rhein fließt in den Tiber“ die Rolle, die Rahner beim Zweiten Vatikanischen Konzil vom ersten Augenblick innehatte, ab dem die europäischen Bischofskonferenzen eine entscheidende Rolle zu spielen begannen. Die Bischofskonferenzen wurden von ihren theologischen Beratern beherrscht, und nachdem unter ihnen die deutsche Bischofskonferenz die mächtigste war, kam ihrem führenden Theologen, dem Jesuiten Karl Rahner, die einflußreichste Rolle zu.
Der Schatten Karl Rahners und seiner homo-freundlichen Enkel
Pater Wiltgen faßte die Kraft der progressistischen Lobby, die sich in der „europäischen Allianz“ sammelte, wie er sie nannte, folgendermaßen zusammen: „Da die Positionen der deutschsprachigen Bischöfe regelmäßig von der europäischen Allianz übernommen wurden und da die Positionen der Allianz ihrerseits generell vom Konzil angenommen wurden, genügte es, daß es einem einzigen Theologen gelang, daß seine Ideen von den deutschsprachigen Bischöfe übernommen wurden, damit sie vom Konzil sich zu eigen gemacht wurden. Diesen Theologen gab es: Es war Pater Karl Rahner von der Gesellschaft Jesu“.
50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil liegt noch immer der Schatten Rahners über der Katholischen Kirche und drückt sich zum Beispiel in den homosexuellen-freundlichen Positionen einiger seiner Schüler aus, die jünger als Lehmann und Kasper sind, wie Erzbischof Reinhard Kardinal Marx von München-Freising und Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto.
Die äquidistante Einseitigkeit von Papst Franziskus
Papst Franziskus äußerte sich gegen beide Richtungen, sowohl den Progressismus als auch den Traditionalismus, ohne allerdings zu klären, worin diese beiden Etikettierungen bestehen. Wenn er sich auch mit Worten von beiden Polen distanziert, die sich heute in der Kirche gegenüberstehen, zeigt er in den Taten für den „Progressismus“ jedoch größtes Verständnis, während er auf das, was er „Traditionalismus“ nennt, die Axt niedergehen läßt.
Die Absetzung von Kardinal Burke hat eine vergleichbare exemplarische Bedeutung, wie die stattfindende Zerstörung der Franziskaner der Immakulata. Viele Beobachter haben Kardinal Braz de Aviz die Absicht zugeschrieben, den Orden zerschlagen zu wollen. Heute aber ist für alle erkennbar, daß Papst Franziskus mit dieser Entscheidung völlig übereinstimmt. Es geht nicht um die Frage der überlieferten Messe, die weder Kardinal Burke noch die Franziskaner der Immakulata ausschließlich zelebrieren, sondern um ihre nicht konforme Haltung gegenüber der heute vorherrschenden Kirchenpolitik.
Gleichzeitig unterhielt sich der Papst lange mit den Vertretern der sogenannten „Volksbewegungen“ ultramarxistischer Richtung, die sich vom 27.-29. Oktober in Rom versammelten und ernannte einen offen heterodoxen Priester, wie Pater Pablo d’Ors, zum Consultor des Päpstlichen Kulturrats.
Priester der Piusbruderschaft auf dem Weg in den Petersdom Welche Folgen wird die aktuelle Kirchenpolitik zeitigen?
Es stellt sich die Frage, welche Folgen diese Politik haben wird, wenn man die beiden Grundsätze bedenkt: den philosophischen Grundsatz der Heterogenese der Ziele, laut dem bestimmte Aktionen das Gegenteil des Beabsichtigten hervorbringen, und den theologischen Grundsatz des Wirkens der Vorsehung in der Geschichte, weshalb laut den Worten des Heiligen Paulus omnia cooperantur in bonum (Röm 8,28). Alles im ewigen Plan Gottes führt zum Guten.
Der Fall Burke und der Fall der Franziskaner der Immakulata, wie auch – auf einer anderen Ebene – der Fall der Priesterbruderschaft St. Pius X. sind Anzeichen eines verbreiteten Unbehagens, die die Kirche wirklich wie ein Schiff erscheinen lassen, das abdriftet. Aber selbst wenn es die Piusbruderschaft nicht gäbe, die Franziskaner der Immakulata aufgelöst oder „umerzogen“ wären und Kardinal Burke zum Schweigen gebracht wäre, wäre die Kirchenkrise um keinen Deut weniger schwerwiegend.
Die katholischen Gläubigen kämpfen mit Siegesgewißheit einen zuversichtlichen Kampf
Der Herr gab die Verheißung, daß das Boot des Petrus nie kentern wird, nicht dank der Geschicklichkeit des Steuermanns, sondern wegen des göttlichen Beistandes für die Kirche, die – wie man sagen könnte – inmitten der Stürme lebt, ohne sich je von den Wellen überfluten zu lassen (Mt 8,23-27; Mk 4.35-41; Lk 8,22-25).
Die katholischen Gläubigen lassen sich nicht entmutigen: sie schließen die Reihen, richten ihren Blick auf das immergültige, unveränderliche Lehramt der Kirche, das mit der Tradition übereinstimmt, sie suchen Stärkung in den Sakramenten, sie beten weiter und handeln in der festen Überzeugung, daß in der Geschichte der Kirche, wie im Leben der Menschen, der Herr erst eingreift, wenn alles verloren scheint.
Was von uns verlangt wird, ist nicht resignierte Untätigkeit, sondern ein zuversichtlicher Kampf in der Gewißheit des Sieges. Und gegenüber Kardinal Burke wagen wir, auch mit Blick auf neue Prüfungen, die ihn sicher erwarten, die Worte von Professor Plinio Correa de Oliveira zu wiederholen, die er am 10. Februar 1974 zu Kardinal Mindszenty sagte, als „die heiligsten Hände der Erde die Säule umstießen und gebrochen zu Boden stürzten“: „Mag der Erzbischof auch gestürzt sein und seine Diözese verloren haben, seine moralische Gestalt als guter Hirte, der sein Leben für seine Herde gibt, ist bis zu den Sternen gewachsen.“
. *Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Schriftleiter der Monatszeitschrift Radici Cristiane und der Online-Nachrichtenagentur Corrispondenza Romana, von 2003 bis 2011 stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Forschungsrats von Italien, von 2002 bis 2006 außenpolitischer Berater der italienischen Regierung, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt erschienen: Vicario di Cristo. Il primato di Pietro tra normalità ed eccezione (Stellvertreter Christi. Der Primat des Petrus zwischen Normalität und Ausnahme), Fede e Cultura, Verona 2013; in deutscher Übersetzung sind u.a. erschienen: Das Zweite Vatikanische Konzil – eine bislang ungeschriebene Geschichte, Edition Kirchliche Umschau, Ruppichteroth 2011; Die Türkei in Europa – Gewinn oder Katastrophe?, Resch Verlag, Gräfelfing 2010; Plinio Corrêa de Oliveira – Der Kreuzritter des 20. Jahrhunderts, mit einem Vorwort von Alfons Maria Kardinal Stickler SDB, Österreichische Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum, Wien 2004 http://www.katholisches.info/2014/11/12/...ssen-kardinals/ Übersetzung: Giuseppe Nardi (die Zwischentitel stammen von der Redaktion) Bild: CNN (Screenshot)/eucharistandmission/Bistum Mainz (Screenshot)/30giorni
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