Religion und Frieden
Trauer vor der Bataclan Konzerthalle um die Opfer des Terroranschlags, 14. November 2015 Quelle: ANSA, EPA/LAURENT DUBRULE Copyright
Ist Religion friedliebend oder kriegstreibend? Eine Überlegung
Pater Klaus Schäfer | 30. Dez | ZENIT.org | Kirche und Religion | Rom | 1
Bis zum Jahre 2015 erfolgten religiös motivierte Terroranschläge meist außerhalb der EU. Wir lasen von ihnen, hörten davon in den Nachrichten und sahen die Bilder der Verwüstung. Die Zahl der Toten bei den Anschlägen nahmen wir meist tatenlos zur Kenntnis, auch wenn die Toten Christen waren: 29 Tote in Buenos Aires (1992), 62 Tote in Luxor (1997), 10 Tote in Kairo (1997), ca. 3.000 Tote am 11. September 2001, 202 Tote auf Bali (2002), 57 Tote in Istanbul (2003), über 40 Tote in Casablanca (2003), 191 Tote in Madrid (2004), 56 Tote in London (2005), 209 Tote in Mumbai (2006), 796 Tote in Sindschar (2007), 174 Tote in Mumbai (2008), 68 Tote in der Kathedrale von Bagdad (2010), um nur einige der großen Terroranschläge zu nennen.
Mit dem Jahr 2015 änderte sich das. Am 7.1.2015 wurden in Paris bei einem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo 12 Menschen getötet. Am 13.11.2015 wurden in Paris bei mehreren von Islamisten durchgeführten Anschlägen etwa 140 Menschen getötet und 352 Menschen verletzt. Damit kam der religiös motivierte Terror nach Mitteleuropa, mitten in die EU hinein. 70 Jahre lang herrschte hier Frieden. Plötzlich konnte sich niemand mehr sicher fühlen. Bereits morgen könnte er als Verletzter oder Toter ein Opfer eines solchen religiös motivierten Terroranschlages sein, auch in Deutschland. Verschärft wurde diese Furcht auch wegen der zahlreichen Flüchtlinge, die Ende 2015 nach Deutschland kamen.
Krieg kannte man bisher in der Form Volk gegen Volk. Doch die meisten dieser heutigen Terroranschläge wurden von Islamisten durchgeführt. Ist es damit ein Religionskrieg? Der Islam gegen den Rest der Welt? Ist der Islam oder sind gar alle monotheistischen Religionen von Grund auf kriegerisch? Zuweilen wird die These aufgestellt.
Ist Religion friedliebend oder kriegstreibend? Diese Frage stellt sich hier. Ein differenzierter Blick in die Bibel und den Koran zeigt auf, ob monotheistische Religionen wie das Christentum zusammen mit dem Judentum und dem Islam vom Kern her friedliebend oder kriegstreibend sind.
Was der Bibel betrifft, werden oft Psalm 109 und Matthäus 10,34 erwähnt. In Ps 109,10-13 heißt es: „Unstet sollen seine Kinder umherziehen und betteln, aus den Trümmern ihres Hauses vertrieben. Sein Gläubiger reiße all seinen Besitz an sich, Fremde sollen plündern, was er erworben hat. Niemand sei da, der ihm die Gunst bewahrt, keiner, der sich der Waisen erbarmt. Seine Nachkommen soll man vernichten, im nächsten Geschlecht schon erlösche sein Name.“ Der vollständige Psalm ist ganz im Gegenteil eine Bitte gegen erbarmungslose Feinde, verbunden mit einem Fluch.
In Mt 10,34 heißt es: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Doch Jesus macht noch eine andere Aussage über das Schwert: „Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen“ (Mt 26,52). Anschaulicher lässt sich der Aufruf zum Frieden kaum beschreiben.
An dem Beispiel Schwert wird deutlich, dass in über 1.000 Seiten der Bibel beides vorhanden ist, der Aufruf zum Krieg, aber auch der Aufruf zum Frieden. Dicht gepackt steht dies bei Kohelet im 3. Kapitel. Der Prophet ordnet dort alles seiner Zeit zu, auch „eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden“ (Koh 3,8). Es ist eine schmerzliche Erfahrung der Menschen, dass es immer wieder Krieg gibt, doch wir Menschen sollen uns um Frieden bemühen. Dies ist nicht nur die Botschaft Jesu, der sagte: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,43f).
Für den „heiligen Krieg“ im Islam wird gerne aus dem Koran Sure 9 Vers 5 zitiert: „Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo ihr sie trefft, und ergreift sie, und belagert sie, und lauert ihnen auf in jedem Hinterhalt. Bereuen sie aber und verrichten das Gebet und zahlen die Zakat, dann gebt ihnen den Weg frei. Wahrlich, Allah ist allverzeihend, barmherzig.“ Weniger bekannt ist hingegen Sure 5 Vers 32: „Wer einen Menschen tötet, für den soll es sein, als habe er die ganze Menschheit getötet. Und wer einen Menschen rettet, für den soll es sein, als habe er die ganze Welt gerettet.“
Je nach Bibelstelle oder Sure im Koran kann damit zum Krieg oder zum Frieden aufgerufen werden. Der Umgang mit den „heiligen Texten“ ist wie der Umgang mit einem Messer: Das Messer ist etwas Gutes, denn man kann mit ihm Brot, Wurst und Käse schneiden. Es kann aber mit dem gleichen Messer am Hals eines anderen Menschen mit einem gekonnten Schnitt einen Luftröhrenschnitt gesetzt werden und ihm damit das Leben gerettet oder mit einem anderen Schnitt am gleichen Hals der Mensch ermordet werden. Das Messer ist neutral. Entscheidend ist, wie es benutzt wird. So ist es auch mit den „heiligen Schriften“.
Auch muss der Aussage nachdrücklich widersprochen werden, dass polytheistische Religionen grundsätzlich tolerant seien. Der Hinduismus ist eine polytheistische Religion, mit zahlreichen Göttern, Halbgöttern, Engeln und anderen himmlischen Wesen. Hierzu lehrt der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel: „Der Untergang des Buddhismus in Indien hängt auch mit den jahrhundertelangen Konflikten zwischen Hinduismus und Buddhismus zusammen, die sich zeitweise in blutigen Verfolgungen niederschlugen.“ http://www.zenit.org/de/articles/religion-und-frieden
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