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  • 30.12.2015 11:54 - Muhammad kämpft um jeden Atemzug
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Muhammad kämpft um jeden Atemzug

Muhammad ist 15 und leidet an der unheilbaren Atemwegserkrankung Cystische Fibrose. Mindestens zwei volle Jahre seines Lebens hat Muhammad schon im Spital verbracht. Kein Wunder, dass der Bub das Caritas Baby Hospital in Bethlehem sein zweites Zuhause nennt.
Zur Schule kann Muhammad schon lange nicht mehr. Der tägliche Fußmarsch strengte den Buben derart an, dass er manchmal schon vor Unterrichtsbeginn auf dem Tisch einschlief.


Der Therapieplan wird besprochen: Muhammad muss jeden Tag zehn verschiedene Medikamente nehmen, muss Übungen machen, inhalieren und vieles mehr.

Einige Lehrer beschwerten sich auch, dass seine Hustenanfälle den Unterricht störten.

Mit seinen Eltern und seinen drei Geschwistern wohnt Muhammad in einem Dorf bei Bethlehem. Das kleine Häuschen der Familie ist sehr schlicht. Die Küche ist so winzig, dass für einen Tisch kein Platz ist. Die vier Kinder schlafen im Ehebett, die Eltern auf dem Boden im Wohnzimmer. In diesem Raum wird auch gegessen.

An der kahlen Wand hängt ein Foto von Muhammads kleiner Schwester. Sie ist mit vier Jahren an derselben Erbkrankheit gestorben, an der auch Muhammad leidet: Cystische Fibrose.

Diese Krankheit betrifft in erster Line die Atemwege. Das Sekret der Schleimhäute ist so zäh, dass es die Bronchien und Lungen verstopft und somit einen idealen Nährboden für Bakterien bildet.

Die Patienten leiden immer wieder an Lungenentzündungen, und trotz bester Therapie ist die Krankheit unheilbar. Mehrmals im Jahr müssen Kinder wie Muhammad zur stationären Behandlung ins Krankenhaus.

Das Caritas Baby Hospital, das vom Verein Kinderhilfe Bethlehem betrieben wird, betreut sehr viele Patienten, die von dieser Krankheit betroffen sind, hat viel Erfahrung und einen sehr guten Ruf. Der Aufenthalt dauert meist zwei bis drei Wochen, bis die Atemwege wieder richtig frei sind und die Patienten gut Luft kriegen.

Alleine mit dem Bus ins Spital

Muhammad spürt genau, wann er zur Therapie ins Krankenhaus muss. Er weist sich quasi selbst ein – alles ist inzwischen Routine. Mit einer Tasche über der Schulter besteigt der Junge allein den klapprigen gelben Kleinbus in seinem Dorf, steigt um, steigt nochmals um und geht dann müde von fast zwei Stunden holpriger Fahrt schnurstracks in die Abteilung A.

Das ist „seine“ Abteilung. Inhalieren, Physiotherapie, Lungensekret abhusten, wieder inhalieren, Medikamente schlucken, Infusionen durchlaufen lassen, wieder inhalieren… das ist sein Therapieprogramm.

„In den ersten Tagen hängt er richtig durch, physisch und psychisch“, sagt Amal Nassar, die Physiotherapeutin, die auf Atemwegserkrankungen spezialisiert ist. Sie arbeitet seit über zehn Jahren im Caritas Baby Hospital mit dem schmächtigen Jungen.

In den ersten Tagen im Spital steht Muhammad seine Krankheit ins Gesicht geschrieben. Seine grossen Augen erzählen wortlos von seinen Schmerzen, widerspiegeln die Mühe, genügend Luft zum Leben zu bekommen.

Doch schon nach wenigen Tagen, wenn die Behandlung Wirkung zeigt, blüht der 15-Jährige auf. Dann flirtet er bubenhaft mit den Krankenschwestern, führt die Physiotherapeutin an der Nase herum, heckt mit anderen kranken Kindern Späße aus.
Sobald es ihm gesundheitlich einigermassen möglich ist, findet man ihn oft im Spielzimmer des Spitals.

Da vergisst er die Welt um sich herum, trotz des zu weiten Pyjamas, trotz der Atemmaske, die ihn vor Bakterien schützen soll, trotz des Infusionszugangs. Er sitzt am Computer, fragt der Sozialarbeiterin Löcher in den Bauch oder freut sich diebisch, wenn er sie bei kniffligen Gedächtnisübungen an die Wand spielen kann, was dem cleveren Jungen häufig gelingt.


„Fragen Sie mich nicht…“
Muhammads Behandlung könnte sich die Familie aus eigener Tasche nie leisten. Jeden Tag muss er zehn Medikamente einnehmen. Der Vater verdient wenig als Fahrer in einem Steinbruch, die Mutter kümmert sich um den Haushalt und die vier Kinder. Sie backt das Brot selbst, das kostet weniger. Hinter dem Haus bewirtschaftet die Familie einen kleinen Garten zur Selbstversorgung.

Die Familie ist dankbar dafür, dass das Caritas Baby Hospital ihnen ein Inhalationsgerät für Muhammad geschenkt hat und sie im Krankenhaus die Medikamente kostenlos beziehen können. Auch für seine Spitalsaufenthalte muss – und kann – Muhammads Familie nicht aufkommen. Hier springt der Spendenfonds des Caritas Baby Hospitals ein.

Das Leben mit Cystischer Fibrose ist für die Angehörigen aber nicht nur teuer, sondern auch sehr anstrengend. Fast jede Nacht muss die Mutter daheim aufstehen und sich um den kranken Muhammad kümmern. Sie steht ihm bei, wenn er vor Husten würgen muss, tröstet ihn, wenn er genervt ist vom ständigen Kranksein.

„Fragen Sie mich nicht, woher ich die Energie nehme“, sagt die 37-Jährige. „Wenn ich drüber nachdenke, spüre ich, wie ausgelaugt ich bin.“ Sie senkt den Kopf, streicht sich über die Augen. „Aber was soll ich machen? Ich habe keine andere Wahl.“

Muhammad und Huda
Alle im Caritas Baby Hospital kennen Muhammad. Und eine Geschichte erzählen alle, wenn man sie nach Muhammad fragt. Es ist die Geschichte von Muhammad und Huda, in die er vielleicht ein bisschen verliebt war.

Auch Huda litt an Cystischer Fibrose. Häufig waren die beiden zur gleichen Zeit zur Behandlung im Caritas Baby Hospital. Sie waren beide Kinder und konnten sich austauschen, über alles reden.

Irgendwann ging es Huda immer schlechter. Und als keine Behandlung mehr ansprach wurde sie zum Sterben nach Hause gebracht.

Muhammad stand unter Schock, wie alle Patienten mit Cystischer Fibrose, die im Caritas Baby Hospital behandelt werden. „Sie sind so oft zusammen im Krankenhaus, dass sie sich über die Jahre alle gut kennenlernen.

Durch Hudas Tod haben sie erbarmungslos vor Augen geführt bekommen, wohin der Weg führt“, erklärt die Physiotherapeutin Amal Nasser. Seit Hudas Tod verfolge Muhammad seine Therapie deutlich gewissenhafter.

„Er hat verstanden, dass er die Übungen und das Inhalieren für sich macht, nicht für die Ärzte, die Therapeutinnen oder seine Familie.“

Denn der charmante, etwas dickköpfige Bub liebt das Leben mit jedem Atemzug, auch wenn es manchmal schwerfällt.
http://www.erzdioezese-wien.at/site/home...icle/47565.html
erstellt von: Der SONNTAG / Andrea Mayerhofer
23.12.2015




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