Cantalamessa: „Wenn evangelisiert wird, sprechen Taten lauter als Worte“ Salvatore Cernuzio | 04/03/16
„Das Mittel ist die Botschaft“, sagte McLuhan. Dieses Prinzip gilt auch für das Wort Gottes, so Pater Raniero Cantalamessa in seiner dritten Fastenpredigt 2016, die eine Fortsetzung der Überlegungen zur Konzilskonstitution Dei Verbum darstellte.
Nach einer Klärung der Begriffe „aufnehmen“, „meditieren“ und „nach dem Wort handeln“ sprach der Prediger des päpstlichen Hauses über eine vierte Handlung: „die Verkündigung des Wortes“. Wie erfolgt diese? Die Antwort sei in der Basis der modernen Sozial- und Kommunikationswissenschaft zu finden. „Wenn ich eine Nachricht verbreiten will ist die erste Frage, die sich mir stellt: Auf welchem Weg will ich sie bekannt machen? Über Zeitung, Radio, Fernsehen?“, so P. Cantalamessas in seiner heutigen Betrachtung.
Folglich sei das Mittel wesentlich. Der Kapuzinerpater stellte sich daraufhin die Frage, welches das natürliche und ursprüngliche Mittel sei, durch das sich das Wort verbreite: „Der Hauch, der Atem, die Stimme.“
Auch das Wort Gottes „verbreitet sich mittels eines Hauchs“, den die Bibel als den „Heiligen Geist“ bezeichne. „Menschliche Nachrichten verbreiten sich von Mund zu Mund, oder über Radio, Fernsehen, Internet usw.; die göttliche Nachricht verbreitet sich, eben weil sie göttlich ist, mittels des Heiligen Geistes.“
Die Heilsgeschichte führe dies klar und deutlich vor Augen: Jesus habe sein öffentliches Predigen „erfüllt von der Kraft des Geistes“ begonnen und in seinen letzten Worten an die Apostel habe er die Einladung ausgesprochen, in die ganze Welt hinauszugehen, „aber nicht bevor ihr den Heiligen Geist empfangen habt.“ Der zu Pfingsten empfangene Geist „verwandelt sich für die Jünger in einen unwiderstehlichen Drang, zu evangelisieren“. Der hl. Paulus „geht so weit, zu behaupten, ohne den Heiligen Geist sei es unmöglich zu sagen: ‚Jesus ist der Herr!‘.“
Vor diesem Hintergrund stellte der Kapuzinerpater fest: „Das erste Missverständnis, dem man vorbeugen muss wenn man von Evangelisierung spricht, ist die Vorstellung, dass evangelisieren gleichbedeutend mit predigen und deshalb nur einer bestimmten Kategorie von Christen vorbehalten sei“. P. Cantalamessa erläuterte: „Man evangelisiert nicht nur durch Worte, sondern mehr noch durch die Werke und den Lebensstil; nicht nur durch das was man sagt, sondern mehr noch durch das was man tut und ist.“
„Deeds speak louder than words“, so laute eine alte englische Volksweisheit. Sie bedeute: „Taten sprechen lauter als Worte“. Diesen Satz paraphrasierte Paul VI. im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi, wo es heißt: „Der heutige Mensch hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.“
Ein schönes Beispiel für die „Wirksamkeit des Zeugnisses“ entnahm der Prediger des päpstlichen Hauses dem Kapuzinerorden, dem er angehört. Der Beitrag, den der Orden in den fünf Jahrhunderten seiner Geschichte für die Evangelisierung geleistet hat, liegt – so Pater Cantalamessa – „nicht in den hauptberuflichen Predigern, die er hervorgebracht hat, sondern in seinen Laienbrüdern: einfache und ungebildete Klosterpförtner und Bettelmönche […]. Die Bevölkerung ganzer Landstriche hat durch sie ihren Glauben behalten oder wiedergefunden.“
Und Maria sei deshalb der Leitstern der Evangelisierung, „weil sie nicht ein bestimmtes Wort zu einem bestimmten Volk getragen hat, wie es selbst die größten Evangelisatoren der Geschichte getan haben, sondern das menschgewordene Wort selbst auch leiblich in sich getragen und der ganzen Menschheit geschenkt hat! Sie hat nie gepredigt, sie hat überhaupt sehr wenig gesprochen; aber sie war von Christus erfüllt und verbreitete um sich herum seinen Duft.“
Wie können im Lichte all dessen diejenigen Evangelisatoren werden, „die den größten Teil ihrer Zeit an einem Schreibtisch verbringen und Geschäften nachgehen, die scheinbar wenig mit der Verbreitung des Glaubens zu tun haben“? Die Antwort darauf sei relativ einfach: „Wenn er seine Arbeit als Dienst am Papst und an der Kirche auffasst, wenn er diese Intention von Zeit zu Zeit erneuert und nicht zulässt, dass der Eifer um die eigene Karriere in seinem Herzen die Oberhand gewinnt, dann kann ein bescheidener Angestellter einer Kongregation mehr zur Evangelisierung beitragen, als es ein Berufsprediger tut, der den Menschen mehr gefallen möchte als dem Herrn.“
P. Cantalamessa resümierte, dass „die Berufung zur Evangelisierung für alle gilt“. Dennoch existierten einige „Voraussetzungen“ und „Bedingungen“. Zunächst bedeute „hinausgehen“ nicht den Austritt aus der Kirche, aus der Gemeinschaft, aus den Institutionen oder aus der Sakristei, sondern beziehe sich vielmehr auf das Verlassen „unseres Ichs“. Daher gelte das Anliegen: „Dezentriere uns von uns selbst und zentriere uns neu in Christus“, nach den Worten von Teilhard de Chardin. „Nur so können wir den Morast aus Neid, Eifersucht, Angst, Missgunst, Ressentiment und Abneigung überwinden, der das Herz des alten Menschen erfüllt, um uns vom Evangelium ‚bewohnen‘ zu lassen und den Duft des Evangeliums zu verbreiten“, so der Prediger des päpstlichen Hauses.
Darüber hinaus betonte P. Cantalamessa: „Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen dem Wort Gottes, das nur studiert und verkündet wird, und dem Wort Gottes, das man ‚isst‘ und in sich aufnimmt. Im ersten Fall haben wir einen Prediger, der ‚druckreif‘ sprechen kann; trotzdem erreicht er das Herz der Menschen nicht in der Tiefe, denn das Herz erreicht nur, wer mit dem Herzen spricht.“
All dies „kann nicht nur die Frucht der asketischen Bemühungen des Menschen sein; es ist ebenfalls ein Werk der Gnade und Frucht des Heiligen Geistes“, hob der Prediger hervor. Zum Abschluss warnte er vor zwei Gefahren für die Bemühungen um einen erneuerten missionarischen Einsatz. Eine sei „unsere Trägheit, unser Hang, nichts zu tun und alles den anderen zu überlassen.“ Die andere „die Versuchung, sich einem fieberhaften und leeren Tatendrang hinzugeben und dabei allmählich die Verbindung zur Quelle des Wortes und seiner Wirkungskraft zu verlieren.“
In diesem Zusammenhang betonte der Kapuziner: „Je mehr der Umfang unseres Tuns zunimmt, desto mehr muss auch der Umfang unserer Gebete zunehmen.“ Zur Erläuterung dieses Aspektes führte er das folgende Beispiel an: „Stellt euch diese Szene vor: Eine Feuerwehrmannschaft hat eine Brandmeldung bekommen und eilt mit lauten Sirenen zur Stelle; aber sobald sie den Schauplatz des Brandes erreichen, stellen die Feuerwehrleute fest, dass sie kein Wasser im Tank haben! […] So sind wir, wenn wir hastig ausziehen um zu predigen, ohne vorher gebetet zu haben. Nicht, dass es uns dann an Worten fehlen würde; im Gegenteil, je weniger man betet, desto leichter kann man reden. Aber unsere Worte werden leer sein, sie werden niemanden erreichen.“
Daher lautete der Wunsch des Predigers des päpstlichen Hauses: „Möge der Heilige Geist, ‚Erstbeweger der Evangelisierung‘, uns gewähren, dass wir Jesus diese Freude bereiten; durch Wort und Tat, je nach den Gaben und Ämtern, die ein jeder von uns in der Kirche hat.“
Der Volltext der Predigt ist hier abrufbar https://de.zenit.org/articles/das-wort-verkuenden/
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