Rückführung von Flüchtlingen: „Das wird nicht funktionieren“
Durcheinander auf Lesbos: Unter einigermaßen chaotischen Umständen haben die griechischen Behörden damit begonnen, Flüchtlinge in die Türkei zurückzubringen. Damit startet die praktische Umsetzung des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei, von dem sich vor allem die deutsche Regierung ein Verebben der Flüchtlingsströme erhofft.
Aber Menschenrechtler haben weiter Bedenken. Sie sehen einen Grundwiderspruch: „Auf der einen Seite lassen wir die Türkei zu Recht nicht in die EU, weil sie vor allem in Sachen Menschenrechte nicht die Mindeststandards aufweist“, sagt uns Oliviero Forti, Migrationsexperte der italienischen Caritas. „Aber wenn es darum geht, Flüchtlinge, die aus der Türkei kommen, dorthin zurückzuschicken, dann ist diese Sorge auf einmal null und nichtig. Und dann auch der praktische Teil, also die Umsetzung dieses Abkommens: Das halten wir für sehr, sehr kompliziert.“
Kompliziert deswegen, weil Massenabschiebungen dem EU- wie dem internationalen Recht widersprechen. Wer Migranten in die Türkei zurückschickt, muss also jeden Einzelfall erst prüfen. Wird ja auch gemacht, nur eben ziemlich flott, verspricht die EU. Aber Forti ist da skeptisch. „Wir – also Italien – sind ja vor ein paar Jahren dafür verurteilt worden, dass wir Migranten massenweise noch auf dem Mittelmeer abgewiesen und nach Libyen zurückgeschickt haben, auf der Basis eines Abkommens mit Gaddafi. Und heute schließen wir dieselbe Vereinbarung mit Erdogan? Ich glaube, da werden wir auch dieselben Probleme wieder erleben. Wir werden sehr aufmerksam beobachten, wie man an einem Ort wie Lesbos wirklich mit den dort Eintreffenden umgeht (und ihre Fälle prüft). Uns kommt das kompliziert vor, wenn nicht fast unmöglich.“
Der Caritasmann wundert sich darüber, dass auch dieser Brüsseler Gipfel überhaupt nicht über das Thema „humanitärer Korridor“ gesprochen hat. Einen solchen Korridor hat die römische Basisgemeinschaft Sant’ Egidio mit Hilfe des italienischen Außenministeriums kürzlich für Flüchtlinge aus Syrien eingerichtet; handverlesene, besonders bedürftige Flüchtlinge wurden aus Lagern im Libanon nach Italien gebracht.
Darüber haben ein paar Zeitungen berichtet, aber in die Debatten der EU-Politiker findet es nicht hinein.
„Hin und wieder gibt es einen Versuch, das Thema in diesen Diskurs einzuspeisen, aber jedesmal wird es dann wieder von der Tagesordnung der Debatten in Brüssel herausgenommen. Das eigentlich Beunruhigende dabei ist nicht nur, dass man über humanitäre Kanäle nicht nachdenkt, sondern dass auch das Thema der Verteilung von Migranten (die die EU der Türkei im Verhältnis 1:1 für jeden von Griechenland in die Türkei zurückgeschickten Syrien-Flüchtling abnehmen will), nicht funktioniert und nicht funktionieren wird. Dabei ist das einer der Angelpunkte dieser neuen europäischen Vereinbarung. Einige Länder, zum Beispiel Ungarn, haben aber schon erklärt, sie wollten überhaupt keine Flüchtlinge auf ihrem Territorium. Das alles zusammen gibt ein verwirrendes Bild. Vor allem für die Flüchtlinge, die es ohnehin schon schwer haben, wird die Lage noch unvorhersehbarer.“ (rv 21.03.2016 sk) http://media02.radiovaticana.va/photo/20...02_Articolo.jpg
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