Papst „irritiert“, Kasper verärgert über Widerstand gegen „neue Barmherzigkeit“ 19. September 2014
Papst Franziskus „irritiert“, Kardinal Kasper verärgert über Widerstand von Kardinälen gegen „neue Barmherzigkeit“
(Rom) Kardinal Walter Kasper reagierte – nicht zum ersten Mal – sichtlich verärgert auf Kritik, die gegen ihn erhoben wird. Dieses Mal stößt ihm die Veröffentlichung eines Buches mit Beiträgen von fünf Kardinälen, dem Sekretär der römischen Kongregation für die Ostkirchen und weiteren Fachleuten, die sich seiner These einer entdogmatisierenden „neuen Barmherzigkeit“ widersetzen, in deren Namen Kasper wiederverheiratet Geschiedene zur Kommunion zulassen möchte. Kardinal Kasper ist über die fünf Mitbrüder im Kardinalsamt verärgert und Papst Franziskus soll über diese „irritiert“ sein. So „irritiert“, daß er Kardinal Müller drängte, seine Beteiligung zurückzuziehen?
Wehleidig zeigte sich Kasper gegenüber Journalisten, weil er von der Veröffentlichung des Buches aus den Medien erfahren habe müssen. „In meinem ganzen Leben ist mir so etwas noch nicht passiert“, klagte er dem Vatikanisten Andrea Tornielli.
„Nie dagewesene Situation“
Nicht genug damit: „Wenn Kardinäle, die die engsten Mitarbeiter des Papstes sind, auf eine so organisierte und öffentliche Weise eingreifen, befinden wir uns zumindest was die jüngste Geschichte angeht, vor einer nie dagewesenen Situation“. Kardinal Kasper geht in diesen Tagen noch weiter. Deutlicher als in den vergangenen Monaten beruft er sich direkt auf Papst Franziskus, um seine Position zu stärken. Dabei war es Kardinal Kasper, der mit seiner Rede im vergangenen Februar vor dem Kardinalskollegium die Feindseligkeiten begonnen und den Angriff gegen das Ehesakrament initiiert hatte.
Aus heutiger Sicht stellte das Kardinalskonsistorium für Kardinal Kasper eine Generalprobe vor der Bischofssynode dar. „Ich habe keine definitive Lösung vorgeschlagen. Ich habe aber, nachdem ich das mit dem Papst vereinbart hatte, Fragen gestellt und Überlegungen für mögliche Antworten geboten.“ Die Betonung Kasper liegt auf „mit dem Papst vereinbart“.
Kasper und die Verschwiegenheitspflicht
Kaspers Versuch eine Monopolstellung in der Debatte zu erringen Doch stimmt, was der deutsche Kardinal überempfindlich behauptet, daß das Vorgehen der fünf Kardinäle letztlich unerhört und „nie dagewesen“ sei? Kasper scheint ein kurzes Gedächtnis zu haben. Das Kardinalskonsistorium unterlag, wie allgemein in der Kirche üblich, der Verschwiegenheitspflicht. „Alle Kardinäle hielten sich daran. Alle außer Kasper”, so der Vatikanist Sandro Magister. Nur wenige Wochen nach dem Konsistorium erschien die Rede in Buchform. Der Herder Verlag bewarb das Erscheinen sofort, so daß entsprechende Absprachen bereits vor dem Konsistorium oder im unmittelbaren Anschluß daran getroffen worden sein müssen. Kasper hatte demnach nie die Absicht, sich an die Verschwiegenheitspflicht zu halten. Dieser sollten alle anderen Kardinäle unterworfen sein, während er für sich in der Öffentlichkeit eine Monopolstellung zum Thema beanspruchte. Eine Exklusivstellung, die ihm im Konsistorium bereits durch Papst Franziskus zugestanden worden war, indem dieser nur Kasper damit beauftragte, zum Thema zu referieren. Eine einseitige Parteinahme, da Kaspers heterodoxe Positionen bekannt waren.
Die Strategie des Kardinals durchschauend, kamen ihm der Historiker Roberto de Mattei und Giuliano Ferrara, der Chefredakteur der Tageszeitung Il Foglio zuvor und veröffentlichten seine Rede zusammen mit einem vernichtenden Kommentar de Matteis (siehe Was Gott vereint, kann auch Kasper nicht trennen – Versuch einer paradoxen Kulturrevolution in der Kirche). Damit hatten sie Kasper den Überraschungseffekt genommen und dessen Absicht durchkreuzt, die öffentliche Diskussion in seinem Sinn lenken zu können. Um so erboster reagierte der Kardinal bereits damals.
Kasper versucht den Eindruck zu vermitteln, die Glaubenslehre unangetastet zu lassen und „nur“ die Glaubenspraxis ändern zu wollen. De Mattei zeigte hingegen in einer brillanten Analyse auf, daß Kaspers Rede einen eindeutigen Bruch mit dem kirchlichen Lehramt darstellt. Sie stellt auch einen spezifischen Bruch mit Johannes Paul II. und Benedikt XVI. dar, mit denen er bereits 20 Jahre zuvor zum selben Thema einen Streit ausgetragen hatte, unterlegen war, die Sache eingesehen und sich hinter die kirchliche Lehre gestellt zu haben schien. Kasper, damals Bischof von Rottenburg-Stuttgart, war vom Glaubenspräfekten Joseph Kardinal Ratzinger geschlagen, aber nicht gedemütigt worden, wie seine spätere Beförderung durch Johannes Paul II. zum Vorsitzenden des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen zeigte. Offensichtlich war man in Rom der Meinung, der Bischof habe sich geändert und könne durch die Einbindung in Rom endgültig gebändigt werden, jedenfalls im Vatikan weniger Schaden anrichten als in Deutschland.
Papst Franziskus über Buch der fünf Kardinale „irritiert“
Während Kaspers Position erstaunt, erstaunt an jener der fünf Kardinäle Müller, Burke, De Paolis, Brandmüller und Caffarra, die das Buch „In der Wahrheit Christi bleiben“: Ehe und Kommunion in der Katholischen Kirche“ veröffentlichen, eigentlich nichts. Sie verteidigen öffentlich, wie es ihre Pflicht ist, die zweitausendjährige Lehre der Kirche in einer zentralen, die Sakramente betreffenden Frage. Sie tun dies gegen einen von Kardinal Kasper öffentlich geführten Angriff gegen die Glaubenslehre. Die Empörung Kaspers ist daher vorgeschoben und erklärt sich nur, wenn man in Rechnung stellt, daß die fünf Kardinäle, Kaspers Pläne gefährden. Immerhin befindet sich unter ihnen Gerhard Kardinal Müller, der Präfekt der Glaubenskongregation und damit oberster Glaubenshüter. Über ihn kann sich auch Papst Franziskus nicht einfach hinwegsetzen. La Croix, die halboffizielle Tageszeitung der Französischen Bischofskonferenz berichtete am 17. September, daß Papst Franziskus über die Buchveröffentlichung „irritiert“ sei, gerade weil sich Kardinal Müller unter den Autoren befinde. Der Papst habe, laut La Croix, Kardinal Müller gedrängt, seine Beteiligung an dem Buch gegen Kasper zurückzuziehen, was Müller ablehnte. Sollte dem so sein, dann wäre tatsächlich Papst Franziskus hinter den Kulissen der eigentliche Strippenzieher des Angriffs auf das Ehesakrament im Namen der „neuen Barmherzigkeit“.
Weitere Kardinäle meldeten sich in diesen Tagen zu Wort
Kardinal Kasper spürt in diesen Tagen den Gegenwind besonders stark. Vielleicht stärker als er gerechnet hatte. Neben den fünf von ihm kritisierten Kardinälen haben drei weitere führende Kardinäle, Scola, Ouellet und Pell mit Aufsätzen in der englischen Ausgabe der Zeitschrift Communio Position gegen seine Thesen bezogen. Eine vergleichbare Veröffentlichung in der deutschen Ausgabe hätte Kasper verhindert, da er selbst der Redaktion angehört. In seinem jüngsten, in der Ausgabe 6/2013 (November-Dezember) veröffentlichten Beitrag schrieb Kasper programmatisch über: „Die liturgische Erneuerung – die erste und sichtbarste Frucht des Konzils“.
Kardinal Kasper beharrt: Schulterschluß mit Papst Franziskus und Johannes XXIII.
Kardinal Kaspers Zauberwort lautet „Barmherzigkeit“, die zum besseren Verständnis besser als „neue Barmherzigkeit“ zu bezeichnen ist. Am 18. September wiederholte er gegenüber dem katholischen italienischen Radio InBlu, daß diese neue „Barmherzigkeit“ der Schlüssel seines Vorschlags zur Überwindung des Kommunionverbots für wiederverheiratete Geschiedene sei. Kasper stellt sich dabei gezielt in eine bestimmte Tradition, wirft Stichworte in den Ring, in der Hoffnung, daß die Signale gehört werden und sich Unterstützung für ihn mobilisiert: „Die Barmherzigkeit, das Herz der christlichen Botschaft, ist ein zentrales Thema im Alten und im Neuen Testament. Viele Heilige haben von der Barmherzigkeit gesprochen. Auch Papst Johannes XXIII. sagte am Beginn der Konzilsarbeiten, daß die Kirche die Mittel der Strenge anwenden muß, aber auch die Medizin der Barmherzigkeit.“
Barmherzigkeit ist der Gegenstand jenes Buches, das Papst Franziskus gleich bei seinem ersten Angelus und damit einer der allerersten Reden überhaupt als Papst lobte und allen die Lektüre empfahl. „Barmherzigkeit: Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens“, 2012, ebenfalls bei Herder erschienen und im selben Jahr auch in spanischer Übersetzung veröffentlicht, und damit auch Kardinal Jorge Mario Bergoglio zugänglich gemacht worden.
Kaspers Barmherzigkeit: Lob vom Papst – Kritik von Pater Lanzetta
Die Barmherzigkeit laut Kasper
Man könnte rückblickend in jener päpstlichen Aussage bereits den chronologischen Startschuß zur Bischofssynode über die Familie sehen. Sollte das Lob bereits in diesem Zusammenhang ausgesprochen worden sein, dann müßte in der Tat davon ausgegangen werden, daß die Zulassung der wiederverheiratet Geschiedenen eine Wahlkapitulation im Konklave darstellte und eine der Bedingungen war, die zur Wahl des Erzbischofs von Buenos Aires führten.
Durch das päpstliche Lob aufmerksam gemacht, wird inzwischen auch Kaspers Buch einer genaueren Überprüfung und Kritik unterzogen. Eine Aufgabe die der jüngst habilitierte Pater Serafino Maria Lanzetta übernommen hat. Der Leiter der Zeitschrift Fides Catholica veröffentlichte die umfassende Buchkritik „Die Barmherzigkeit laut Kardinal Kasper“.
Keine Barmherzigkeit für Franziskaner der Immakulata – „Neue Barmherzigkeit“ bei Jesuiten von America
Pater Lanzetta gehört den Franziskanern der Immakulata an, „jenem blühenden Orden, der unter diesem Pontifikat unter kommissarische Verwaltung gestellt und zerschlagen wird, eine Maßnahme, deren Gründe unklar sind, während hingegen sicher ist, daß sie ohne jede Barmherzigkeit erfolgt“, so Sandro Magister.
Über die neue Barmherzigkeit hielt Kardinal Kasper bereits am vergangenen 1. Mai eine Lectio am Boston College, die anschließend in der Wochenzeitung der New Yorker Jesuiten America abgedruckt wurde. Am 12. Mai folgte zudem ein Video-Interview Kaspers mit Pater Matt Malone SJ, dem Schriftleiter dieser Zeitschrift. In einem mit 22. September datierten Leitartikel von „America“ geben die Jesuiten der Redaktion ohne Wenn und Aber zu erkennen, daß sie sich die Meinung Kaspers zu eigen gemacht haben. Natürlich im Namen der „Barmherzigkeit“.
Text: Giuseppe Nardi Bild: Il Foglio/Fanpage
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