Papst ermutigt Flüchtlinge auf Lesbos: eine erschütternde Begegnung
Papst Franziskus auf Lesbos - RV
16/04/2016 11:45SHARE: In einem großen weißen Zelt auf Lesbos ist Papst Franziskus mehreren hundert Flüchtlingen begegnet, die, meist aus Syrien stammend, in Griechenland einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Der Papst, begleitet vom Patriarchen Bartholomaios I. und vom orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. von Athen und ganz Griechenland, schritt im Lager Moria durch die Reihen der Flüchtlinge, mindestens die Hälfte von ihnen Frauen und Kinder. Er hörte, teils über mehrere Übersetzer hinweg, kurze, dramatische Erzählungen und eine Menge Hilferufe. Der Papst reagierte darauf in seiner Rede.
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„Liebe Freunde”, wandte er sich auf Italienisch und ins Englische übersetzt an die Flüchtlinge, „ich wollte heute bei euch sein. Ich möchte euch sagen, dass ihr nicht alleine seid.“ Er sprach den Schmerz und die Opfer der Menschen an, ihre Zukunftshoffnung. Er sei mit dem orthodoxen Erzbischof und dem Patriarchen gekommen, um die Aufmerksamkeit der Welt auf ihre, die Lage der Flüchtlinge zu lenken und „ihre Lösung zu erflehen. Als Männer des Glaubens möchten wir unsere Stimmen vereinen und offen in eurem Namen sprechen. Wir hoffen, dass die Welt diese Situationen tragischer und wirklich verzweifelter Not beachtet und in einer Weise reagiert, die unserem gemeinsamen Menschsein würdig ist”, so der Papst. Und er fasste die Menschen in einer verbalen Umarmung zusammen: „Gott hat die Menschheit so erschaffen, dass sie eine einzige Familie bilden sollte; wenn irgendeiner unserer Brüder und Schwestern leidet, sind wir alle betroffen.“ Krisen könnten aber auch das Beste im Menschen zutage fördern: das sei gerade im griechischen Volk zu sehen, lobte Franziskus, „das inmitten seiner eigenen Schwierigkeiten großherzig auf eure Not reagiert hat“.
„Dies ist die Nachricht, die ich euch heute hinterlassen möchte: Verliert die Hoffnung nicht!“, rief der Papst den Flüchtlingen zu. Und er regte sie an zu gegenseitiger Ermutigung in kleinen Gesten. Das größte Geschenk, das sie einander machen könnten, sei die Liebe: „ein barmherziger Blick, eine Bereitschaft zuzuhören und zu verstehen, ein Wort der Ermutigung, ein Gebet. Mögt ihr dieses Geschenk miteinander teilen!“
Vor den fast zur Gänze muslimischen Flüchtlingen erzählte er die „Geschichte vom barmherzigen Samariter“. Für Christen sei das „ein Gleichnis von Gottes Erbarmen, das allen gilt, denn Gott ist der Allbarmherzige“. Und er formulierte diese implizite Aufforderung, „dieselbe Barmherzigkeit denen zu erweisen, die in Not sind“, als gesellschaftliche Aufforderung an ganz Europa: „Möchten doch alle unsere Brüder und Schwestern auf diesem Kontinent wie der barmherzige Samariter euch zu Hilfe kommen, in jenem Geist der Brüderlichkeit, der Solidarität und der Achtung gegenüber der Menschenwürde, der Europas lange Geschichte gekennzeichnet hat!“
Der Besuch im Flüchtlingslager auf der Insel nahe Griechenland war außerordentlich emotional. Franziskus selbst sagte abgesehen von der Rede wenig, er hörte den Menschen zu, küsste und streichelte Kinder. Viele von ihnen schenkten ihm Zeichnungen, auf denen die Buben und Mädchen ihre Überfahrt übers Meer gemalt hatten. Die wolle er alle mitnehmen und den Journalisten im Flugzeug zeigen, bekundete der Papst.
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Und er taucht richtiggehend ein in diese Begegnungen. Frauen mit Kopftüchern bitten ihn um Ärzte, sagen, sie wollen nach Deutschland oder nach Kanada, „bitte hilf uns”, fleht ihn ein kleines Mädchen an, fällt ihm zu Füßen und weint herzerschütternd, zusammengekrümmt auf seine Schuhe. Einige andere knien sich vor ihm hin und bitten um einen Segen. „Sagt mir was ich tun soll, und ich werde es probieren”, lässt er seinen Übersetzer sagen. „Meine Mädchen haben ihren Vater seit zwei Jahren nicht gesehen, er ist in Deutschland”, klagt eine Frau mit hellem Kopftuch. Draußen, nahe am Zaun, der das Lager umgibt, eine weitere weinende Frau, ihr lautes Klagen durchdringt die Frühlingsluft, als sie dem Papst zu Füßen fällt. Sie trägt ein silberglänzendes Kreuz um den Hals, der Papst wirkt erschüttert, als ein Helfer der Frau wieder aufrichtet.
In einem anderen Zelt singt ein Kinderchor hingebungsvoll für den Papst und die ganze Besuchsdelegation, ein freudigerer Ton hält Einzug in die ganze Begegnung, ein Gruppenbild entsteht. Ein alter Mann im Rollstuhl fasst in ein paar Sätzen sein Schicksal zusammen. Manchmal übersetzt Bartholomaios dem Papst. Alles wirkt improvisiert, doch das ist nicht die Schuld des neuen Reisemarschalls Mauricio Rueda Beltz auf seiner allerersten Bewährungsprobe, sondern einer doppelt improvisierten Situation geschuldet: dies ist ein Flüchtlingslager, entstanden als Antwort auf eine unvorhergesehene Notlage; und der Papst beschloss erst vor wenigen Tagen, hierher zu kommen.
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Im Anschluss an ihre jeweiligen Reden unterschrieben der Papst, Patriarch Bartholomaios und der orthodoxen Erzbischof von Athen und ganz Griechenland eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Tragödie der Flüchtlinge als „Krise der Menschheit” bezeichnen und die internationale Politik beschwören, „den Schutz menschlichen Lebens zur Priorität zu erheben" und „sichere Umsiedlungsverfahren" zu entwickeln. Hier die Kernsätze der ökumenischen Erklärung.
http://de.radiovaticana.va/news/2016/04/...menschh/1223278 Nach der Begegnung in Moria nahm der Papst das Mittagessen mit seinen beiden orthodoxen Begleitern und mit einigen Flüchtlingen ein. Am Nachmittag wollte er weiter zum Hafen von Lesbos. (rv 16.04.2016 gs) *** hier die Kernsätze der gemeinsamen Rtklärumg Hier die Kernsätze der gemeinsamen Erklärung von Papst Fanziskus dem ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und dem orthodoxen Erzbischof Hieronymus II. bei seiner apostolischen Reise nach Lesbos: „Wir haben uns auf der griechischen Insel Lesbos getroffen, um unsere tiefe Besorgnis über die tragische Lage der zahlreichen Flüchtlinge, Migranten und Asylsuchenden zum Ausdruck zu bringen, die nach Europa gekommen sind, weil sie vor Konfliktsituationen und – in vielen Fällen – vor der täglichen Bedrohung ihres Lebens geflohen sind.“ „Die Tragödie erzwungener Migration und Vertreibung betrifft Millionen von Menschen und ist eine Krise der Menschheit, die zu einer Antwort der Solidarität, des Mitgefühls, der Großherzigkeit und zu einem unverzüglichen praktischen Einsatz der Ressourcen aufruft.“ „Es bedarf dringend eines breiteren internationalen Konsenses und eines Hilfsprogrammes, um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten, in dieser unhaltbaren Situation die grundlegenden Menschenrechte zu verteidigen, Minderheiten zu schützen, Menschenhandel und -schmuggel zu bekämpfen, gefährliche Routen wie die über das Ägäische Meer und das gesamte Mittelmeer auszuschließen und um sichere Umsiedlungsverfahren zu entwickeln.“ „Solange die Not besteht, ersuchen wir nachdrücklich alle Länder, zeitlich beschränktes Asyl zu verlängern, denen, die dafür infrage kommen, den Flüchtlingsstatus zu gewähren, ihre Hilfskapazitäten auszudehnen und mit allen Männern und Frauen guten Willens für eine schnelle Beilegung der laufenden Konflikte zu arbeiten.“ „Was uns betrifft, so beschließen wir im Gehorsam gegenüber dem Willen unseres Herrn Jesus Christus fest und aus ganzem Herzen, unsere Anstrengungen zur Förderung der vollen Einheit aller Christen zu verstärken.“ „Wir bitten die internationale Gemeinschaft dringend, den Schutz menschlichen Lebens zur Priorität zu erheben und auf allen Ebenen inklusive Politik zu unterstützen, die sich auf alle Religionsgemeinschaften erstreckt.“ „Die schreckliche Situation all derer, die von der gegenwärtigen humanitären Krise betroffen sind, einschließlich so vieler unserer christlichen Brüder und Schwestern, verlangt unser fortwährendes Gebet.“ (rv 16.04.2016 gs)
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