Mehr über die „Transsubstantiation“
Posted by Edward McNamara on 6 May, 2016 1024px-Pfullendorf_StJakob_Fresko_Abendmahl Pater Edward McNamara, Professor für Liturgie und Studiendekan der Theologischen Fakultät am Päpstlichen Athenäum „Regina Apostolorum“ in Rom, geht noch einmal auf das Thema der Wesensverwandlung oder Transsubstantiation ein.
Pater Edward McNamara: In Bezug auf den Artikel über die Transsubstantiation (vgl.29. April) erhielten wir mehrere Leserzuschriften. Ein qualifizierter Philosoph erklärte, wie die Lehre von der Transsubstantiation mit der aristotelischen Philosophie in Einklang gebracht werden kann. Wie ich im ursprünglichen Artikel zum Ausdruck gebracht habe, muss man sich diese Denksystem zwar nicht zu eigen zu machen, doch glaube ich, dass seine Erklärungen helfen können, um einige Zweifel zu beseitigen, die von anderen Lesern aufgeworfen worden sind und die ihre Grundlage darin haben, dass viele Menschen von heute mit den Begriffen Substanz und Akzidenzien ihre Schwierigkeiten haben, weil sie im Laufe der Zeit einem Wandel unterworfen waren und verwirrend sein können. Hier folgt die Erklärung:
„Zwar gebe ich zu, dass das Wort Substanz im Zusammenhang mit der Transsubstantiation gebraucht wurde, ehe die Werke des Aristoteles in Westeuropa bekannt wurden, ich bin aber nicht der Meinung, dass es irgendeinen Grund gibt, weswegen wir diesen Begriff nicht im aristotelischen Sinne verstehen dürfen.“
„Für Aristoteles stellt die Substanz (oder ‚ousia‘ im griechischen Original) die Antwort auf die Frage ‚Was ist es?‘ dar. In seinen Werken benutzt er auch tatsächlich manchmal diese Frageformel ‚Was ist es?‘, als wäre sie ein Substantiv (‚ho ti estí‘). Und mit seinem berühmten Wort führt er weiter aus, dass die Substanz ‚to ti en einai‘ ist, ungefähr übersetzt: ‚das, was etwas kraft seines Seins ist‘ (das heißt: nicht kraft seines Wirkens oder seiner Eigenschaften).“
„So fällt es leicht, ‚Brot‘ und ‚Wein‘ jeweils als ‚Substanz‘ im aristotelischen Sinne zu bezeichnen, wie das auch bei den beiden Naturen unseres Herrn der Fall ist (die menschliche Natur im eindeutigen Sinne; die göttliche Natur im analogen Sinne). So weisen zum Beispiel sowohl Brot als auch Wein eine so genannte ‚substantielle Einheit‘ auf. Mit anderen Worten kann, begrifflich gesprochen, keine dieser beiden Substanzen in ihre Bestandteile zerlegt werden. Oder anders ausgedrückt, es macht keinen Sinn, Weizenkleber (Gluten) und Stärke miteinander zu vermischen und das Resultat ‚Brot‘ zu nennen; das Brot muss aus gemahlenem Weizen (oder einem anderen Getreide) hergestellt werden, es muss mit Wasser angefeuchtet und dann gebacken werden, und, was aus dem Backvorgang hervorgeht, ist etwas qualitativ Anderes als die Bestandteile, die man zusammengeschüttet hat. In ähnlicher Weise kann man Wein nicht als Resultat von Weinsäure, Apfelsäure, Zitronensäuren, Tanninen, Glycerin und Alkohol (die unter anderem in ihm enthalten sind) bezeichnen.“
„Seien Sie sich dessen bewusst, dass Aristoteles nicht versucht hat, für das Wort ‚ousia‘ eine neue Bedeutung zu erfinden (bei den Scholastikern die ‚Substanz‘ oder das ‚Wesen‘), sondern nur danach gestrebt hat, die Bedeutung des Wortes, wie sie im allgemeinen Sprachgebrauch gegeben ist, auf philosophisch präzise Weise auszudrücken. Wie dem auch sei, der heilige Thomas von Aquin ist ganz klar der Meinung, dass der aristotelische Substanzbegriff benutzt werden kann, um die Transsubstantiation besser zu verstehen (siehe S.Th. III, q. 75, a. 4, c).“
„Vor diesem Hintergrund würde ich auf die Frage des Lesers so antworten, dass der Weizenkleber (Gluten) im strengen Sinne keine Substanz des Brotes ist (eine solche Vorstellung hätte sehr wenig mit dem aristotelischen Begriff von Substanz zu tun); vielmehr handelt es sich um eine Komponente (technisch ausgedrückt, ein Bestandteil) dieser Substanz. Er ist eines der konstitutiven Elemente, aufgrund derer sich die Beschaffenheit des Brotes ergibt – insbesondere seine Eigenschaften: seine Farbe, seine Gestalt, sein Geschmack, sein Geruch, seine Masse, seine chemischen Eigenschaften usw.“
„Zusammen mit Thomas von Aquin dürfen wir noch einen Schritt weiter gehen: Thomas führt weiter aus, dass die Quantität (die physischen Dimensionen) das Inhäsionssubjekt aller weiteren Akzidenzien (Eigenschaft, Ort, Dauer usw.) von materiellen Substanzen (das heißt weder die Engel noch der Geist im Menschen) ist. So macht es zum Beispiel keinen Sinn von ‚Farbe‘ (einer Eigenschaft) zu sprechen, es sei denn, sie tritt irgendwo auf einer farbigen Sache ‚örtlich umgrenzt‘ auf. Zumindest begrifflich gesprochen muss die Substanz zuallererst physische Dimensionen aufweisen, dann eine Gestalt und dann erst Farbe, Widerstand, Geschmack, Geruch usw. Die physischen Dimensionen (‚Quantität‘) dienen also als ‚Basis‘ für den ganzen Rest an physischen Eigenschaften.“
„Wenn man dieses Modell (das ich für sehr stichhaltig halte) anwendet und unser modernes wissenschaftliches Verständnis miteinbezieht, folgt daraus, dass sich die chemische Zusammensetzung einer Substanz tatsächlich als eine ihrer akzidentellen Formen darstellt (wenn auch keine, wie sie sich Aristoteles oder Thomas vorstellten, die offensichtlich keine Ahnung von Chemie, Quantenmechanik usw. hatten); also ist es überhaupt nicht problematisch zu sagen, dass die Eucharistie chemisch aus Weizenkleber und Stärke (und allen sonstigen Bestandteilen, die zu Brot gehören) zusammengesetzt ist.“
„Wenn nun zum Beispiel jemand Jodtinktur nehmen und sie auf eine konsekrierte Hostie träufeln würde (ich hoffe, niemand tut das jemals), würde die Tinktur schwarz oder dunkelblau werden (da sie mit Stärke zusammen reagiert) – so als ob die Hostie gar nicht konsekriert wäre.“
„In der Tat vermute ich, dass der Leser den Substanzbegriff nicht im Sinne von Aristoteles, sondern im modernen Sinne, im Sinne unserer Physik und Chemie, versteht – wo er im Allgemeinen mit den chemischen Bestandteilen oder mit dem Stoff, aus dem die physischen Gegenstände bestehen, gleichgesetzt wird. Der Substanzbegriff des Aristoteles ist aber hiervon weit entfernt; er steht dem Allgemeinbegriff von der ‚Gesamtsache‘ oder dem ‚Gesamtgegenstand‘ näher.“
„Kurz, wenn also Weizenkleber (Gluten) Bestandteil einer echten Substanz wie zum Beispiel Brot ist, ist er für einen Aristoteliker eine der akzidentellen Formen dieser Substanz (und hiermit ein Akzidens), die zu ihren chemischen Eigenschaften beiträgt, die gleichfalls Akzidenzien sind. Ähnliches kann man über den Alkohol im Wein sagen.“
Damit sollten einige Punkte in Bezug auf die Begriffe von Substanz und Akzidens geklärt sein, obwohl man zugeben muss, dass sie – insbesondere der Begriff des Akzidens – allzu leicht außerhalb ihres Kontexts benutzt und als unwichtiges Zufallsprodukt angesehen werden. Die obige Erklärung trifft vor allem auf das Brot und den Wein zu, wie sie vor der Konsekration vorliegen. Nach der Konsekration ist kein Brot und kein Wein mehr vorhanden. Wir stehen hier immerhin vor einem Wunder. Ein Leser, der Ludwig Ott zitierte, sagte richtig, dass Gott als Erstursache „die Akzidenzien von Brot und Wein in ihrem wirklichen Dasein erhalten kann, nachdem die Substanz von Brot und Wein aufgehört hat zu existieren.“ Vom philosophischen Standpunkt aus gesehen, wäre das normalerweise unmöglich, doch stehen wir vor einem großen Geheimnis.
Weil die Begriffe schwierig sind, schlug ein Leser vor, ausgehend von der Bibel zu argumentieren. Sicher kann man von der Schrift ausgehend Licht auf diesen Sachverhalt werfen, aber manchmal stellt die korrekte Auslegung eines Texts eine ebenso knifflige Aufgabe dar. Es gibt gute Gründe dafür, dass das Lehramt oft Ausdrücke verwendet hat, die nicht biblischen Ursprungs sind, um den Glauben zu erklären, obwohl der Glaube stets in der Offenbarung seine Quelle hat.
Schließlich stellte ein Leser die Frage: „Wenn in der Hostie, die wir bei der Eucharistiefeier empfangen, Jesu wahres Fleisch und Blut zugegen sind, dann verstehe ich nicht so recht, warum Papst Benedikt und Papst Franziskus darauf bestehen, dass diejenigen, die an die wahre Gegenwart von Jesu Fleisch und Blut in der Hostie glauben und sie empfangen, keine Kannibalen sind. Natürlich glaube ich das, doch könnten Sie es bitte etwas ausführlicher erklären?“
Schon diejenigen, die in Kapharnaum dabei waren (Joh 6,61), haben diesen Fehler begangen. Auch die frühen Christen wurden angeklagt, eine solche Abscheulichkeit zu begehen.
Wahrscheinlich wäre es das Beste, von der Bibel auszugehen, um diese Frage zu klären, doch kann ich mich darauf nicht einlassen, denn das Thema würde ausufern. Die Schrift würde uns die Eucharistie durch die ihr zugrundeliegenden Ausdrücke, wie „das Brot des Himmels“, „das Paschalamm“, „das Blut des Bundes“ erschließen. Man müsste auch gründlich auf Bücher wie die Geheime Offenbarung mit ihren aus der Liturgie entnommenen Abbildern eingehen. So war nach jüdischem Glauben der wesentliche Aspekt der Einnahme des Paschamahls die Teilnahme am Opfer, bei dem durch den Vollzug eines Gedächtnisaktes der Bund erneuert wurde.
In ähnlicher Weise glauben wir Katholiken, dass die heilige Speise, die wir empfangen, kein totes Lamm ist, sondern die Gabe des lebendigen und auferstandenen Christus, der sich uns hingibt. Kannibalismus hat mit Tod zu tun, die Eucharistie ist das Leben. Dank der Gestalten, die Christus gewählt hat, um sich uns hinzugeben, kann er für uns zur Speise werden, damit wir an seinem Opfer teilnehmen können. Indem wir sein Pascha empfangen, empfangen wir sein Leben und dabei erneuern wir den endgültigen und ewigen Bund, der uns zum neuen Volk Gottes macht.
Es ist mir bewusst, dass dies nur eine ungefähre Antwort ist, doch hoffe ich, dass sie wenigstens verhindern kann, dass auf die Eucharistie eine Vorstellung wie die des Kannibalismus angewendet wird.
Übersetzt von P. Thomas Fox, LC aus dem englischen Originalartikel https://zenit.org/articles/ministries-of...-and-acolyte-2/
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