Das Rätsel um Israels entführte AdoptivkinderNach der Staatsgründung Israels verschwanden Tausende Kinder arabischer Juden. Immer mehr spricht dafür, dass sie "verschenkt" wurden – ohne Wissen ihrer Eltern. Jetzt verspricht der Staat Aufklärung.
Yona Musa (76) gehört zu den Tausenden Israelis, die glauben, dass ihre Babys vor mehr als 60 Jahren zur Adoption freigegeben wurden Mit 39 hatte Gil Grinboim alles, was sich der Durchschnittsisraeli wünscht: einen sicheren Job, eine nette Ehefrau, eine schöne Wohnung, zufriedene Kinder. Finanzielle Sorgen hat er keine, was auch an seinen wohlhabenden Eltern liegt. Die waren einst aus Polen nach Israel gekommen.
Bis ein Telefonanruf seiner Frau kam, der ihn aus dieser Idylle reißen sollte. "Sitzt du?", hatte seine Frau ihn gefragt, und dann berichtet: "Das Sozialamt hat mir bestätigt: Du bist adoptiert." An diesem Tag stellte sich heraus: Sein Leben war eine Lüge.
Schockiert eilte er zum Amt, durfte aber nur drei Seiten seiner Akte einsehen. Das reichte ihm, um Unregelmäßigkeiten zu entdecken. "Auf der Adoptionsurkunde gab es keine Unterschriften der biologischen Eltern, nur die Unterschriften zweier Rechtsanwälte." Der Verdacht lag nahe, dass seine biologische Mutter von der Adoption nichts wusste.
Kleinkinder nach Einwanderung "gestohlen" Grinboims Schicksal ist kein Einzelfall. Nach der Staatsgründung 1948 wurden Hunderttausende Juden aus den arabischen Staaten vertrieben, viele flohen nach Israel. Der mittellose Staat, der auch Hunderttausende Holocaust-Überlebende aufnahm, brachte die Neueinwanderer in Zelten in Übergangslagern unter.
Kleinkinder kamen in "Kinderhäuser", wo sie besser geschützt waren. Im Chaos wurde dabei oft nicht festgehalten, welches Kind wem gehörte. Als eine Polio-Epidemie ausbrach, starben viele und wurden anonym bestattet. Überlebende kehrten indes oft nicht heim, weil niemand wusste, wohin. Also gab man sie zur Adoption frei. Laut offiziellen Statistiken wurden im ersten Jahrzehnt nach Israels Staatsgründung 10.000 Kinder adoptiert – drei pro Tag.
"Hunderte Kinder wurden damals gestohlen", sagt nun Tzachi Hanegbi, ein Vertrauensmann des Premiers Benjamin Netanjahu. Es ist das erste Mal, dass Israels Establishment sich zum wohl größten Skandal seiner Geschichte bekennt.
Kinder verschwanden unter ungeklärten Umständen
Hanegbi soll Licht auf das Schicksal der Kinder werfen, die nach der Staatsgründung 1948 und bis Ende der 50er-Jahre unter mysteriösen Umständen verschwanden. Und nur langsam werden deren Schicksale aufgeklärt.
Wie bei Gil Grinboim. Es sollte drei Jahre dauern, bis er seine biologische Mutter fand. "Sie war eine junge Einwanderin aus Tunesien. Im Krankenhaus hatte man ihr nach der Geburt gesagt, ich sei eine Stillgeburt." Ohne ihre Zustimmung wurde er kinderlosen Einwanderern aus Polen übergeben, den Menschen also, die seine Eltern werden sollten.
In dieser Affäre sind die Rollen klar entlang ethnischer Linien verteilt: Die Verschollenen sind fast ausschließlich Kinder von Misrahim – Juden aus arabischen Staaten. Laut israelischen Statistiken brachten allein die 50.000 Einwanderer aus dem Jemen 5824 Kinder im Alter zwischen 0 bis vier Jahren mit. Von ihnen verschwanden 700 – jedes achte.
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