Gastkommentar von Birgit KelleBewährungsstrafe für Vergewaltiger – wie kann dieser Richter ruhig schlafen? Samstag, 22.10.2016, 07:36 · von FOCUS-Online-Expertin Birgit Kelle Teilen
In Hamburg hat ein Gericht mal wieder bewiesen, dass das wahre Problem weder zu lasche Gesetze, noch schlechte Polizeiarbeit ist - sondern Richter, die mit grausamen und kriminellen, jugendlichen Tätern umgehen, als hätten sie nur im Supermarkt einen Lutscher geklaut.
Zu den Fakten: Vier junge Männer zwischen 14 und 21 haben als Gruppe eine 14-Jährige vergewaltigt. Sie haben dabei unter anderem eine Flasche und eine Taschenlampe in sie eingeführt. Eine 15-Jährige hat das Ganze auch noch mit einem Handyfilm dokumentiert. Als sie mit ihr fertig waren, haben sie das Mädchen in einen Hinterhof geschleift und dort in der eisigen Kälte liegen lassen. All das reicht vor einem Hamburger Gericht offensichtlich nicht aus, damit alle Täter eine saftige Strafe bekommen. Allein der 21-Jährige aus der Gruppe wird für vier Jahre ins Gefängnis einfahren – falls er nicht bei guter Führung bald wieder raus kommt.
Die anderen Täter haben Bewährungsstrafen erhalten. Sie gelten als Jugendliche und gehen jetzt nach Hause. Ohne Strafe. So empfinden sie dies Urteil auf Bewährung ja tatsächlich. Als das Strafmaß verkündet wurde, brach Jubel aus im Gerichtssaal. Die serbische „Großfamilie“, wie man heute liebevoll zu diesen Milieus sagt, war offenbar mehr als zufrieden, dass sie ihre Söhne jetzt wieder mitnehmen kann.
Vor der Verhandlung verhielten sich die Täter unverschämt und feixend
Schon zum Prozessauftakt zeigten die Täter nicht Reue, sondern unverschämtes, feixendes Verhalten. Man ließ sich feiern von der lieben Verwandtschaft, die ganz offensichtlich auch wenig erschüttert war über das Verhalten ihrer „Söhne“, sondern die deutsche Justiz eher als Feind denn als Autorität betrachtet.
Man fragt sich: Was genau hätten die Täter noch zusätzlich machen müssen, damit das Gericht am Ende möglicherweise in Erwägung zieht, dass eine Bewährungsstrafe nicht ausreicht, um den angerichteten Schaden wiedergutzumachen? Hätten sie das Mädchen noch prügeln müssen? Umbringen? Was wäre noch nötig? Unanständig und definitiv nicht im Sinne des Volkes kommt so ein mildes Urteil daher, der Richter weiß es auch und wies präventiv darauf hin, dass Teile der Öffentlichkeit es als zu milde betrachten werden. Er hat sich aber nach eigener Auskunft daran gehalten, was „erzieherisch geboten" sei. Schauen wir also einmal genauer hin.
Wie geht es wohl dem 14-jährigen Opfer mit diesem Urteil?
Wir haben in Deutschland ein Strafrecht, das nicht nach dem Prinzip der Rache agiert und dies auch nicht will. Das ist auch ganz gut so, kann man normalerweise sagen, denn im Moment des Schmerzes und der Erniedrigung ist es gut, wenn Besonnenheit regiert. Wir haben das biblische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ hinter uns gelassen zugunsten des Gedankens der Resozialisation von Tätern. Wir sind so nett. Wir geben jedem noch eine zweite Chance. Strafe soll nicht niedere Instinkte bedienen, sondern einerseits Wiedergutmachung für das Opfer leisten, aber auch Abschreckung für den Täter sein, das jemals wieder zu tun.
Ich frage mich gerade, wie es der 14-Jährigen geht, nachdem sie erfahren hat, dass drei der Täter nur Bewährung bekommen haben. Ist das Wiedergutmachung genug für das, was man ihr angetan hat? Ist das adäquat und im Namen des Volkes? Jeder, der eine Tochter hat, weiß, wie diese Antwort ausfällt.
Über die Expertin
Birgit Kelle ist freie Journalistin, Kolumnistin verschiedener Online-Medien und Autorin der Bücher "Dann mach doch mal die Bluse zu" (ADEO) und "GenderGaga" (ADEO).
Na dann hilft es aber doch wenigstens als Abschreckung, oder? „Erzieherisch geboten“, formulierte der Richter. Ich meine, so eine Bewährungsstrafe ist doch eine echte Abschreckung, das jemals wieder zu tun. Das konnte man ja sowohl an der Reaktion der Täter als auch an der ihrer „Großfamilie“ sehen. Die waren wirklich so erschrocken und gar eingeschüchtert, dass sie sich nicht anders zu helfen wussten, als mit Jubel zu reagieren.
Wenn bei mir zu Hause eine Strafe verhängt werden muss, weil eines der Kinder etwas Falsches getan hat, habe ich noch nie Jubel gehört. Strafe muss auch wehtun, um Abschreckung zu sein. Das richtige Strafmaß zu finden, zu Hause und auch vor Gericht, ist sicher nicht einfach. Diese Jungs sind in dem Bewusstsein aus dem Gerichtssaal gegangen, dass sie gewonnen haben. Ich frage mich, wie dieser Richter ruhig schlafen kann.
Video: Gutachter stellt fest: Täter verabredeten sich vor Silvesternacht
http://www.focus.de/politik/experten/bke...id_6100030.html http://www.focus.de/politik/experten/bkelle/
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