Reformen des Papstes: Was kommt nach Franziskus?
Sind die Reformen von Papst Franziskus unumkehrbar? Diese Frage erörterten Theologen und Wissenschaftler in der Zeitschrift „Quart“. Die Experten sind skeptisch bis vorsichtig optimistisch. Rückschritte halten einige für möglich.
Es lässt sich wohl nicht so einfach sagen, ob es eine Fortsetzung des offenen Kirchenkurses nach dem gegenwärtigen Pontifikat geben wird. Einige Experten vermissen jedenfalls die strukturelle Absicherung von Reformen wie dem größeren Gewicht der Ortskirchen gegenüber der „Zentrale“ in Rom. Und gerade nach der US-Präsidentschaftswahl erscheint vielen Zurückhaltung bezüglich Zukunftsprognosen angeraten: Alles ist möglich, so der Tenor der Befragten.
Papst Fußwaschung FrauenAPA/AFP/STR Papst Franziskus wusch Flüchtlingen die Füße. Er ließ auch Frauen zum Ritual zu
In der vom „Forum Kunst Wissenschaft Medien“ der Katholischen Aktion herausgegebenen Zeitschrift „Quart“ äußerten sich u.a. der Salzburger Theologe und Universitätsrektor Heinrich Schmidinger, die Pastoraltheologen Rainer Bucher (Graz) und Regina Polak (Wien), die Sozialethiker Ingeborg Gabriel (Wien) und Wolfgang Palaver (Innsbruck) und der Vorauer Abt Gerhard Rechberger.
„Diesseits jeglicher Vernunft alles möglich“ Heinrich Schmidinger ging auf den immer wieder gezogenen Vergleich der Päpste Franziskus und Johannes XXIII. ein, der jedoch „hinkt“, wie der Professor für Christliche Philosophie befand. Denn der heiliggesprochene Konzilspapst habe das Zweite Vaticanum auf den Weg gebracht und damit seinen geistigen Impulsen „nicht zuletzt strukturelle, organisatorische und (kirchen-)rechtliche Nachhaltigkeit“ verliehen.
„Dergleichen ist bei Franziskus nicht abzusehen“, so Schmidinger. In Zeiten, da politisch und gesellschaftlich „diesseits jeglicher Vernunft alles möglich ist“, müsse Vergleichbares auch in der katholischen Kirche befürchtet werden.
„Franziskus hat viele Feinde“ Für den Grazer Theologen Rainer Bucher ist die US-Wahl ein Beispiel dafür, dass „leider alles fast immer möglich“ sei. Er erwarte als Nachfolger von Franziskus einen „zentristischen“ Papst, der Kontinuitätslinien sowohl zu diesem wie auch zu Benedikt XVI. aufbaut. Nachsatz: „Kardinal Schönborn wäre solch ein Kandidat.“
Regina PolakORF/Marcus Marschalek Regina Polak Die Wiener Theologin Regina Polak vermutet, wie sie sagte, einen weniger reformfreudigen Nachfolger für Franziskus. Denn dieser habe innerhalb der Kirche „viele Feinde“. Und „das Autoritäre sitzt ja unverändert in vielen Strukturen und v.a. Köpfen“, so die Pastoraltheologin.
Rückschritte möglich Angesichts des historisch immer wieder zu beobachtenden Wechsels zwischen Fort- und Rückschritten ist für den Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver ein Abgehen von Franziskus’ Reformkurs durchaus möglich. Die Zukunft der Kirche liege aber immer am ganzen Volk Gottes, „nur auf den Papst zu vertrauen, wäre zu zentralistisch gedacht“. Palavers Appell: „Gemeinsam müssen wir mutig an der Erneuerung der Kirche mitarbeiten.“
Keine Prognose wagte die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel. Die jüngsten Kardinalsernennungen mit ihrer Betonung weltkirchlicher Breite deuteten zwar auf eine Abkehr vom Zentralismus, aber die Zukunft lasse sich letztlich nicht vorhersagen.
Theologin und Sozialethikerin Ingeborg Gabrielkathbild/Franz Josef Rupprecht Sozialethikerin Ingeborg Gabriel Würde z.B. ein Afrikaner Papst werden, hätte dieser wohl eine starke soziale Ausrichtung, meint Gabriel, aber vielleicht auch große Vorbehalte gegenüber Homosexualität und den Fokus auf der Bekämpfung der Hexerei.
Inspiration für kommende Päpste Optimistisch äußerte sich Chorherren-Abt Gerhard Rechberger. Er vertraue darauf, dass die Impulse durch Franziskus soviel Wirkkraft auslösen, „dass auch kommende Päpste davon inspiriert werden und nicht alles zurückdrehen werden“.
Auch der emeritierte Wiener Religionswissenschaftler Johann Figl hält einen autoritären Nachfolger von Franziskus für „sehr unwahrscheinlich“. Die Betreiber einer solchen Linie seien in der Gesamtkirche in der Minderheit, und Rückwärtsgewandtheit unter den Bedingungen der Moderne würde zumindest im westlichen Kulturraum viele aus der Kirche treiben - was auch ein „konservativer“ Papst nicht wollen würde.
Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus bei Benedikts 65-jährigem PriesterjubiläumAPA/AP/L'Osservatore Romano/Pool Papst Franziskus mit seinem Vorgänger Papst Benedikt XVI.
Reformen nicht in Recht verankert Der ebenfalls befragte tschechische Philosoph Jan Sokol sieht die Neuausrichtung unter Papst Franziskus als „Zeichen, dass diese Veränderungen nicht nur seine eigene Entscheidung sind, sondern dass die Kirche dazu langsam reift und neigt“. Hier wirke „eine gewisse Führung des Heiligen Geistes“, mutmaßte Sokol.
Für den ungarischen Theologen Andras Mate-Toth hat Franziskus mit der Option für die Armen und seinem Akzent auf Barmherzigkeit auch vielen Nichtgläubigen diesen Ansatz als „das“ Zentrum der christlichen Botschaft plausibel gemacht. Ein Nachfolger, der dies relativieren wollte, käme wohl unter Erklärungsnotstand, meinte Mate-Toth. Jedoch: Solange Franziskus’ Akzente nicht auch in Recht und Struktur verankert seien, werde es ein Nachfolger „leicht haben“, die Reformbemühungen des Argentiniers aufzuheben.
religion.ORF.at/KAP http://religion.orf.at/stories/2818325/ Mehr dazu: Papst: „Böswillige Widerstände“ in der Kurie (religion.ORF.at; 22.12.2016) Papst sorgte für „revolutionäre theologische Wende" (religion.ORF.at; 11.12.2016
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