Eine Frage des Einzelfalls: Deutsche Bischöfe legen Leitpunkte zu Amoris Laetitia vor Analyse und Wortlaut der Mitteilung – und: Wie Kardinal Müller in einem neuen Interview ebenfalls Stellung zu offenen Fragen bezieht
"[A]uch eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren".
BONN , 01 February, 2017 / 1:45 PM (CNA Deutsch).- Die deutschen Bischöfe erlauben nter bestimmten Umständen den Zugang zur Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete. Es gehe um den Einzelfall, betonen die Oberhirten, doch grundsätzlich gebe es die "Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen".
Unter dem Titel "Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche" werden die am heutigen Mittwoch veröffentlichten "Leitpunkte" zur Interpretation von Amoris Laetitia zusammengefasst.
Das Dokument trägt den Untertitel: "Eine Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris Laetitia".
Die Bischöfe betonen in ihrem Schreiben unter anderem:
"Paare in Krise, Scheidung und zivilrechtlicher Wiederverheiratung zu begleiten, bedeutet auch eine große Herausforderung und Chance, die Kirche und ihr Eheverständnis zur Sprache zu bringen". Doch können nun geschiedene Wiederverheiratete in deutschen Diözesen zur Kommunion? Mit Blick auf diese lange und kontrovers diskutierte Schlüsselfrage, die auch viele Debatten um Amoris Laetitia beherrscht, heißt es auf der Webseite der DBK zum Schreiben:
"Für die Frage nach dem Empfang der Sakramente sehen die Bischöfe in Amoris Laetitia keine allgemeine Regel und keinen Automatismus. Erforderlich sind nach ihrer Überzeugung vielmehr differenzierte Lösungen, die dem Einzelfall gerecht werden. Mit Amoris Laetitia gehen die Bischöfe von einem Prozess der Entscheidungsfindung aus, der von einem Seelsorger begleitet wird." Im eigentlichen Dokument wird weiter verdeutlicht, wie dies zu verstehen ist:
"Nicht alle Gläubigen, deren Ehe zerbrochen ist und die zivil geschieden und wiederverheiratet sind, können ohne Unterscheidung die Sakramente empfangen." [Hervorhebung durch die Redaktion] Statt dessen bedürfe es "differenzierte[r] Lösungen, die dem Einzelfall gerecht werden", so das Dokument, bei dem es sich, wie die DBK mitteilt, um Schlussfolgerungen handele, die der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz am 23. Januar "abschliessend diskutiert und in einem Dokument zusammengefasst" habe.
Vier unterschiedlich große Säulen
In dem Text, so die DBK-Mitteilung, würdigen die deutschen Bischöfe das im April 2016 veröffentlichte nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus für seinen "pastoralen und theologischen Nutzen" und legen "als Konsequenzen (...) folgende Säulen einer Ehe- und Familienpastoral" vor:
Ehevorbereitung Ehebegleitung "Stärkung der Familie als Lernort des Glaubens" "den Umganz mit Zerbrechlichkeit: begleiten – unterscheiden – eingliedern" Während die ersten drei "Säulen" in einem Absatz oder einigen wenigen Paragraphen behandelt werden, sind dem vierten, kritischen Thema gleich mehrere Seiten gewidmet. Dabei geht es um den differenzierten Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten: Katholiken, die sich von ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau zivilrechtlich haben scheiden lassen und eine neue, staatliche Ehe eingegangen sind.
"Begleiten – Unterscheiden – Eingliedern"
Die Ehe sei zwar nach katholischem Verständnis unauflösbar, betonen die Bischöfe in ihren Leitlinien. Gleichzeitig müsse man die Einzelsituation von Menschen im Blick haben, und Urteile darüber vermeiden, "welche die Komplexität der verschiedenen Situationen nicht berücksichtigen".
Mit Verweis auf die Abschnitte 296 und 297 von Amoris Laetitia schreiben die deutschen Bischöfe, dass anhand der Leitbegriffe "begleiten – unterscheiden – eingliedern" diesen Betroffenen geholfen werden müsse.
Während die Begleitung bedeute, "auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums ermutigt" zu werden, dürfe Unterscheidung nicht dabei stehen bleiben, was die objektive Situation der Betroffenen ist. Mehr noch: Die – mittlerweilen bekannte – Fußnote 351 besage,
"dass man auch in einer Situation, die objektiv irregulär, subjektiv, aber nicht oder zumindest nicht völlig schuldhaft ist, 'in der Gnade Gottes leben kann (...)", wenn man die Hilfe der Kirche und in gewissen Fällen auch die Hilfe der Sakramente bekommt. Auch dies spricht für die Möglichkeit des Sakramentenempfangs in diesen Situationen." "Am Ende eines solchen geistlichen Prozesses", schreiben die Bischöfe weiter, "dem es immer um das Eingliedern geht, steht nicht in jedem Fall der Empfang der Sakramente von Buße und Eucharistie. Die individuelle Entscheidung, unter den jeweiligen Gegebenheiten nicht oder noch nicht in der Lage zu sein, die Sakramente zu empfangen, verdient Respekt und Achtung. Aber auch eine Entscheidung für den Sakramentenempfang gilt es zu respektieren."
Abschliessend schreiben die deutschen Bischöfe:
"Wir ermutigen alle, die den Weg von Ehe und Familie mit der Kirche gehen wollen, den wegweisenden Text Amoris Laetitia persönlich zu bedenken". So könne man den Reichtum des Evangeliums der Familie für das eigene Leben entdecken, betonen die Hirten. Widersprüchliche Interpretationen
Das Schreiben der deutschen Bischöfe erscheint vor dem Hintergrund einer anhaltenden, vielschichtigen Kontroverse: Amoris Laetitia sorgt seit seiner Veröffentlichung vor rund zehn Monaten für teilweise heftige, öffentliche Diskussionen und ist Gegenstand mehrerer Debatten.
Die medial am meisten Aufmerksamkeit erregende Diskussion behandelt die sich zum Teil widersprechenden Interpretationen des achten Kapitels des nachsynodalen Schreibens: Dessen Interpretation schlägt sich – unter anderem – darin nieder, dass keine Einheit herrscht im Umgang etwa mit geschiedenen Wiederverheirateten, die zur Kommunion wollen. In manchen Diözesen ist dies unter – zum Teil unterschiedlichen – Kriterien nun möglich, in anderen weiterhin nicht.
In Malta entscheiden die Gläubigen selber, ob sie "im Frieden mit Gott" sind, und daher zur Kommunion gehen können; in Deutschland sollen offenbar nun die Seelsorger gemeinsam mit den Betroffenen entscheiden, in einem Prozess der "Begleitung, Unterscheidung und Eingliederung".
Neues Interview mit Kardinal Müller
Unklar ist, ob dieses Vorgehen vereinbar ist mit heute veröffentlichten Aussagen des Präfekts der Glaubenskongregation zum Thema – wie auch eine Beantwortung der fünf offenen Fragen, die ein im September verfasster Brief an Papst Franziskus enthält, der von vier Kardinälen geschrieben wurde, darunter zwei deutschen, Kardinal Walter Brandmüller und Kardinal Joachim Meisner.
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Bild auf Twitter anzeigen Bild auf Twitter anzeigen Folgen CNA Deutsch @CNAdeutsch "Ungelöste Knoten" in Amoris Laetitia: Vier Kardinäle appellieren an Papst Franziskus http://bit.ly/2fOFuyS 08:00 - 14 Nov 2016 · Vatican City 5 5 Retweets 6 6 „Gefällt mir“-Angaben Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, hatte die Veröffentlichung des Bittbriefs bereits vor einiger Zeit kritisiert. Nun hat Kardinal Müller in einem ebenfalls am heutigen Mittwoch publizierten Interview mit dem Magazin "Il Timone" erneut mehrere Fragen zum Thema beantwortet.
Zwar nennt der Präfekt der Glaubenskongregation nicht die Dubia beim Namen, aber er äußert sich zu den Fragen, welche (auch) diese stellen. So betont Kardinal Müller erneut, dass aus seiner Sicht Amoris Laetitia im Licht der gesamten Lehre der Kirche interpretiert werden müsse. Dass dies einzelne Bischöfe nicht tun würdem, gefalle ihm nicht, so der Präfekt der Glaubenskongregation, und kritisiert auch, ohne dabei konkrete Namen zu nennen, deren Vorgehen.
Des weiteren unterstreicht Kardinal Müller im Interview, welches vor der Publikation der deutschen Bischofsleitlinien erschien, dass Familiaris Consortio und die darin noch einmal bekräftigte Lehre der Kirche keineswegs überholt sei, sondern nach wie vor gültig. So könne man nicht etwa behaupten, es gebe Umstände, unter denen ein Ehebruch keine Sünde sei.
Dagegen schreiben in den ebenfalls heute veröffentlichten Leitpunkten die deutschen Bischöfe unter Verweis auf Abschnitt 301 in Amoris Laetitia:
"Die Kirche ist im Besitz einer soliden Reflexion über die mildernden Bedingungen und Umstände. Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, dass alle, die in irgendeiner sogenannten 'irregulären' Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben". Welche Interpretation ist nun richtig? Offen ist somit nach wie vor die Frage, ob der Papst der Interpretation Kardinal Müllers zustimmt: Die fünf Fragen der Dubia hat Franziskus bekanntlich bis heute nicht beantwortet, wohl aber zum Thema gesprochen. http://de.catholicnewsagency.com/story/d...s-laetitia-1556
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