Vom „Vorhof der Völker“ zum „Vorhof des Franziskus“ – Zielloses Umherirren? 19. September 2017
"Vorhof des Franziskus" - der Weg als Selbstzweck? (Rom) In Assisi wurde vom 14.-17. September die Ausgabe 2017 der Initiative „Il Cortile di Francesco“ (Der Vorhof des Franziskus) gestartet. Dabei handelt es sich um eine Fortsetzung der unter Benedikt XVI. ins Leben gerufenen Initiative „Vorhof der Völker“. Eventuelle Namensverwechslungen mit dem amtierenden Papst, offiziell ist der heilige Franz von Assisi gemeint, sind offensichtlich gewollt. Die Personalisierung kommt der Öffentlichkeitsstrategie des derzeitigen Pontifikats entgegen und erlaubt einigen Kirchenvertretern, dem regierenden Papst Franziskus ihre Ergebenheit zu signalisieren. Zu diesen gehört Kardinal Gianfranco Ravasi, der Vorsitzende des Päpstlichen Kulturrates.
Benedikts Initiative zur Evangelisierung von Agnostikern und Atheisten…
2009 hatte Benedikt XVI. in Anlehnung an den auch Heiden zugänglichen Vorhof im Tempel von Jerusalem zu dieser Initiative aufgerufen, um unter Agnostikern und Atheisten, als ersten Schritt ihrer Evangelisierung, die Suche nach Gott zu wecken. Die Umsetzung legte Benedikt in die Hände des damaligen Kurienerzbischofs Gianfranco Ravasi, dem als intellektuellem Kopf auch der Ruf vorauseilte, ein fähiger Organisator von Kulturereignissen zu sein. Von Ravasi dürfte auch die eigentliche Idee stammen.
Kardinal Ravasi Im März 2010 wurde von Ravasi die Initiative „Vorhof der Völker“ in Paris unter großer medialer Aufmerksamkeit vorgestellt. Benedikt XVI. wandte sich selbst mit einer Videobotschaft an die Teilnehmer. Der erfreuliche Start dürfte dazu beigetragen haben, Ravasi noch im Herbst desselben Jahres die Kardinalswürde einzubringen. Überhaupt nahm Ravasis Karriere erst 2007 unter Benedikt XVI. Fahrt auf, dem eine Schwäche für intellektuelle Theologen nachgesagt wird, selbst wenn sie nicht ganz im Ruf der Orthodoxie stehen. Zu den von Benedikt Geförderten gehört auch der heutige Erzbischof von Manila, Kardinal Luis Antonio Tagle, der früher Mitarbeiter der progressiven „Schule von Bologna“ war und heute von diesen Kreisen als möglicher Franziskus-Nachfolger gehandelt wird.
Ravasi galt lange Zeit als „ewiger Kandidat“, der nichts wurde. Von den Progressiven mißtrauisch beäugt, blockierte er sich jedoch selbst durch heterodoxe Wortmeldungen. Noch 2005 schloß ihn die Bischofskongregation wegen Zweifeln an seiner Rechtgläubigkeit als Kandidat für das Bischofsamt von Assisi aus, nachdem er in der italienischen Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore den Aufsatz „Er ist nicht auferstanden, er hat sich erhoben“ veröffentlicht hatte, womit auch ein geistiger Aufstieg gemeint schien, eine Art Selbsterhebung, wie sie auch in der Freimaurerei eine Rolle spielt.
Initiative als Selbstzweck?
Der „Vorhof der Völker“, der als Teil der Neuevangelisierung gedacht war, wurde in den Händen Ravasis schnell zu einer Einbahnstraße. Die Veranstaltungen folgten zwar in schneller Sequenz in verschiedenen Städten, wurden jedoch mehr und mehr zu einem Podium für die Selbstdarstellung von Ravasi und eines kleinen Kreises von Agnostikern. Nach seiner ersten Videobotschaft verstummte Benedikt XVI.
Den Höhepunkt erreichte der Vorhof im Oktober 2012 mit einer Veranstaltung in Assisi, bei der ein Rekord an illustren Teilnehmern erzielt wurde, die auf der Bühne Platz nahm, darunter der damals amtierende italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano, ein Agnostiker marxistischer Prägung. Diesem Crescendo der Teilnehmerzahlen auf der Bühne entsprach aber kein wachsendes Interesse im Parkett und noch weniger ein konkretes Ergebnis für die Evangelisierung. Die Initiative war zum Selbstzweck geworden, ähnlich dem kritisierten „Tagungstourismus“ oder dem Showbusineß mit immer denselben Personen, die sich selbst in ihrer immer gleichen Rolle gefallen. Veränderung, konkret Bekehrungen, scheinen dabei gar nicht erwünscht, da sie das Drehbuch durcheinander brächten.
Benedikts Notbremse
Im November 2012 begann Benedikt XVI. die Notbremse zu ziehen. Nach zweieinhalb Jahren wandte er sich erstmals wieder persönlich an die Teilnehmer der damals in Portugal stattfindenden Veranstaltung. Mit seiner Botschaft versuchte er die Ausrichtung der Initiative zu korrigieren. Er stellte klar, daß es beim „Vorhof der Völker“ nicht um den Dialog als Selbstzweck gehe. Sinn und Zweck der Initiative sei die Evangelisierung der Ungläubigen. Ein bloßes Forum, um intellektuellen Agnostikern und Atheisten zuzuhören, bei dem sie als solche hinkommen und auch wieder als solche fortgehen, genüge nicht. Die Intention sei es, zu Fernstehenden von Gott zu sprechen und Fragen zu provozieren, um in ihnen den Wunsch nach der Gottsuche zu wecken. „Glücklich jene, die die Wahrheit besitzen“, rief Benedikt den Teilnehmern zu.
Die Korrektur Benedikts XVI. ging damals ungehört an der Medienwahrnehmung vorüber. Kardinal Ravasi muß die Schelte jedoch vernommen haben, denn er wurde im Bericht des Osservatore Romano über den Vorhof in Portugal mit dem Hinweis zitiert, daß die Veranstaltung bei den nächsten Terminen in einer „vertieften“ Form stattfinden werde.
Papstwechsel und Neuausrichtung
Dann folgte der unerwartete Amtsverzicht von Benedikt XVI. und die Wahl von Papst Franziskus, und wie in anderen Bereichen, kam auch in dieser Sache, alles etwas anders. Trotz einiger Bemühungen gehört Kardinal Ravasi nicht zum engeren Kreis um Franziskus und fristet seither ein ziemliches Schattendasein. Millionenteure Auftritte des Vatikans bei der Biennale in Venedig und der Expo in Mailand, die vom Päpstlichen Kulturrat, also Ravasi, verantwortet wurden, brachten ihn in die Kritik der „Kirche der Armen“, was ihn bei Franziskus nicht gerade beliebter machte.
" „Vorhof des Franziskus“ im „Vorhof der Völker“ Öffentliches Aufsehen konnte er zuletzt im Februar 2016 durch einen in katholischen Kreisen irritierenden Brief an die „lieben Brüder Freimaurer“ erzielen, den er wiederum in der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore veröffentlichte.
Der „Vorhof des Franziskus“ stellt einen an die veränderten Verhältnisse adaptierten Ableger des „Vorhofes der Völker“ in Assisi dar. Er will, laut Eigendarstellung der Veranstalter, „ein Ort der Begegnung sein – durch die Entdeckung des Anderen – nicht nur zwischen Gläubigen und nicht Gläubigen, sondern auch zwischen unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen und Kulturen“. So präsentierte der Franziskanerpater Enzo Fortunato, Pressesprecher des Heiligen Konvents der Minoriten an der Basilika des heiligen Franz von Assisi, die Initiative. Nicht nur die Erweiterung zur interreligiösen Veranstaltung entfernt sie von der ursprünglichen Intention Benedikts XVI. Von einer Evangelisierung oder Missionierung ist keine Rede mehr. Das trifft sich ganz mit der von Papst Franziskus mehrfach ausgegebenen Richtlinie.
In Assisi stand der Vorhof in den vergangenen Tagen unter dem Motto „Weg. Dialog zwischen Gläubigen und nicht Gläubigen“.
„Nicht der Titel ist das Problem: Der Franziskaner ist im Grunde ein Wanderer, ein Peregrinus, der von der Stadt des Menschen auf dem Weg zur Stadt Gottes ist. Unter bestimmten Bedingungen wäre auch die Auswahl der Geladenen kein Problem, die in einem Dialog zwischen Gläubigen und Ungläubigen, zwischen Antikonformisten und Konformisten durchaus ihren Platz haben können: Oliviero Toscani, Gabriele Lavia, Romano Prodi, Carlo De Benedetti, Valeria Fedeli, Umberto Galimberti und wie sie alle heißen. Dabei handelt es sich ja um die italienische Intelligenzija, die dem offiziellen Mainstream angepaßt ist und für die Medien zählt. Damit aber legt sich ein Schatten auf die Sache.“ So Vita Nuova, die Kirchenzeitung des Bistums Triest, die unter Italiens Kirchenzeitungen hervorsticht.
Zielloses Umherirren: Der Weg ist das Ziel?
Das „Problem“, so die Zeitung von Erzbischof Giampaolo Crepaldi, dem Bischof von Triest, seien zuallererst die Aussagen der Veranstalter selbst. Kardinal Gianfranco Ravasi propagiere den „Weg“ als Selbstzweck. Die „Vertiefung“, die er noch im November 2012 gelobte, scheint längst Schnee von gestern. Seine Haltung, so Vita Nuova, sei nicht anders als jene des französischen Essayisten Michel de Montaigne: „Wer mich nach dem Grund meiner Reisen fragt, dem antworte ich, daß ich genau weiß, was ich fliehe, aber nicht, was ich suche.“
„Es sollte hingegen sehr klar sein, was ein christlicher Pilger sucht. Der reumütige Büßer, der Jünger Jesu, sucht die Stadt Gottes“, so Vita Nuova. Das Ziel der Suche nicht zu nennen, könnte zur Annahme verleiten, man wolle die eigene Identität verstecken oder verleugnen.
„Welcher Dialog sollte das sein, wenn man keine klare Vorstellung von der eigenen Zugehörigkeit hat und diese nicht offen bekennt?“ Dabei betont Kardinal Ravasi, daß „Gläubige und nicht Gläubige gemeinsam eingeladen sind, sich nach dem Sinn unseres Weges zu fragen“. Der Sinn des christlichen Weges, „die größere Ehre Gottes und das Heil der eigenen Seele, die Wahrheit und die Liebe“, scheine dabei aber nicht klar zu sein, jedenfalls bleibe er unausgesprochen, so Vita Nuova. „Sich zu Gott bekennen ist nicht fakultativ.“
Kardinal Ravasi begnüge sich mit der Feststellung:
„Die Wege sind verschieden, wichtig ist, sich nicht entmutigt an den Rand des Weges zu setzen, sondern die Suche nach einem Ziel fortzusetzen, denn, wie schon der Sokrates des Platon lehrte: ‚Ein Leben ohne Suche verdient nicht gelebt zu werden‘.“ „Widersprüchliche Sichtweisen aufnehmen?“
„Vorhof des Franziskus“ Überlagerung des heiligen Franz von Assisi? Der Guardian des Heiligen Konvents von Assisi, Pater Mauro Gambetti, schreibt in der Vorstellung des Vorhofes zwar, daß der Mensch als „homo viator (Pilger) vom Evangelium bewegt und angezogen“ werde, das „eine größere Liebe als jede andere Liebe“ sei. Er sagt auch, daß die „Wanderschaft“ eine „Provokation für die Wahrheitssuche“ darstellte. Weniger klar sei die Feststellung, daß sich der „Weg“ durch die „Aufnahme unterschiedlicher Perspektiven, durch das Zusammenfließen verschiedener Erfahrungen und Dank der Aufnahme von anscheinend widersprüchlichen Sichtweisen, strukturiert“.
„Es kann aber keine, wie Gambetti denkt, ‚anscheinend widersprüchliche Sichtweisen‘ zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen geben. Die Sichtweisen stehen in bezug auf die Wahrheit nicht nur anscheinend, sondern offensichtlich in einem Konflikt. Das nicht zu sagen, verhindert a priori den Dialog und macht ihn zu einer bloßen Plauderei. Wie ein solcher Weg die ‚von Franziskus inspirierte universale Öffnung‘ sein soll, ist alles andere als klar.“ „Straßenkämpfe, Populismen, neue Kreuzzüge?“
Noch erstaunlicher seien die Worte von P. Enzo Fortunato, der die Hoffnung äußerte, daß „die Gegensätze zwischen uns und den anderen verschwinden, denn die Gefahren sind Straßenkämpfe und die Populismen, die zu neuen Kreuzzügen führen.“ „Straßenkämpfe“?, „Populismen?“, „Neue Kreuzzüge“?
Der heilige Franz von Assisi, der offizielle Namenspatron der Initiative, sah das etwas anders. Die einzige Gefahr, vor der er warnte, war, das ewige Leben zu verlieren, indem man von der Wahrheit Christi abrückt. Die Gefahr, sein irdisches Leben zu verlieren, wenn er den Ungläubigen das Evangelium predigt, besorgte ihn nicht.
„Der heilige Franziskus war ein ‚homo viator‘ und Pilger. Er war aber mit einer Identität und einem klaren Ziel unterwegs und irrte nicht ziellos herum, um wie die anderen Blinden in einen Abgrund zu stürzen.“ So Vita Nuova, die Kirchenzeitung des Bistums Triest, die abschließend noch einige Fragen in den Raum stellte:
„Auf welche Weise sollen Initiativen dieser Art für die Evangelisierung nützlich sein? Wäre der Vorhof nicht eine Gelegenheit, um aufzuzeigen, daß der Weg kein blindes umherirren, sondern ein Weg ist, der für den Menschen von der Civitas terrena ausgeht, um zur Civitas Dei zu gelangen? Und wäre es nicht vielleicht notwendig, die Anwesenden darüber zu informieren, daß die Kirche für diesen Weg den Kompaß hat?“ http://www.katholisches.info/2017/09/vom...ses-umherirren/
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