Nach der Correctio filialis wird über die Nachfolge von Papst Franziskus diskutiert
Wer wird Franziskus II. 9. Oktober 2017
Kardinalstaatssekretär Parolin und Papst Franziskus: Wer wird Franziskus II? (Rom) In der katholischen Kirche herrscht erhebliche Unruhe. Das gilt besonders für Rom. Ein Grund dafür ist die Correctio filialis, eine Zurechtweisung wegen der Verbreitung von Häresien, die von zahlreichen katholischen Persönlichkeiten Papst Franziskus wegen seines nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia vorgelegt wurde. Die Unruhe läßt die Frage nach dem Nachfolger von Franziskus auf dem Stuhl Petri stärker in den Vordergrund rücken.
„Über drei Papstkandidaten wird in- und außerhalb des Vatikans geflüstert. Ein Asiate, ein Afrikaner und ein Europäer, um genau zu sein, ein Italiener. Nur der dritte hat eine minimale Chance, in einem hypothetischen, künftigen Konklave gewählt zu werden.“ So der Vatikanist Sandro Magister, der vor allem über Kardinal Luis Tagle spricht, um in Wirklichkeit aber den amtierenden Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin ins Spiel zu bringen. Der „Afrikaner“ ist Kardinal Robert Sarah, der vielen in der Kirche als Hoffnungsschimmer gilt. Um ihn soll es in dieser Darstellung aber nicht gehen.
Kardinal Tagle der „Idealkandidat“
Kardinal Luis Antonio Gokim Tagle gilt progressiven Kirchenkreisen als „Idealkandidat“ für die Nachfolge von Franziskus. Sie sehen in ihm einen Franziskus II.
Franziskus und Kardinal Luis Antonio Tagle
http://www.katholisches.info/2016/05/sch...che-veraendert/
Der Sohn eines philippinischen Vaters und einer chinesischen Mutter studierte in den USA. 2001 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Imus, 2011 Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof von Manila. Im Frühjahr 2012 hatte der deutsche Papst bereits 18 Papstwähler ernannt. Im Herbst folgten überraschend weitere sechs Kardinalskreierungen. Die dürftige, indirekt geäußerte Begründung für das eingeschobene Eil-Konsistorium lautete, daß Benedikt damit Länder der ehemals „Dritte Welt“ genannten Erdteile stärker berücksichtigen wolle. Deren zu geringe Vertretung war ihm vorgehalten worden. Im nachhinein betrachtet, sieht die Sache anders aus. Benedikt XVI. wußte um diese Zeit bereits, daß er zurücktreten und damit bald ein Konklave folgen sollte. Unter den im Herbst kreierten Kardinälen befand sich auch der philippinische Erzbischof Tagle.
Papst Franziskus ernannte diesen zum Vorsitzenden der Catholic Biblical Federation, in dem die Katholischen Bibelwerke zusammengeschlossen sind. 2015 machte er ihn zudem zum Vorsitzenden der Caritas Internationalis. „Im Namen aller Armen nehme ich das Amt an“, sagte der Philippiner zur Amtsübernahme. Er folgte darin dem honduranischen Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der sich nach der Wahl von Franziskus als „Vize-Papst“ in die Öffentlichkeit schob und zuletzt ziemlich deutlich seine eigene Kandidatur für die Franziskus-Nachfolge anmeldete. In den Kreis der aussichtsreichen Papabili konnte er damit aber nicht aufrücken.
Der Progressive, den Konservative falsch zuordneten
Anders zeigt sich das Bild im Zusammenhang mit Kardinal Tagle, der im nicht unbedeutenden deutschen Sprachraum auch von konservativen Kreisen gefördert wurde. Auch Konservativen sind sozialromantische Züge nicht fremd. Die Förderung des philippinischen Erzbischofs durch Benedikt dürfte den Ausschlag gegeben haben. Benedikt zeigte in seinen Ernennungen aber nicht immer eine kluge Hand. Das galt für die USA, wo er Kardinal Raymond Burke zum Berater hatte. Das galt aber für andere Länder nicht, wo eine vergleichbare zuverlässige Beratung fehlte. Oder Rom knickte unter dem Druck einer inszenierten Gegenöffentlichkeit ein, wie dies im Fall des in Österreich ernannten Weihbischofs Gerhard Maria Wagner der Fall war.
Tagle vertritt progressive Positionen, was durch seine Mitarbeit bei der „Schule von Bologna“ von 1995–2001 belegt ist, die ein Monopol für die historische Deutung des Zweiten Vatikanischen Konzils und vor allem des „Konzilsgeistes“ beansprucht. Sie vertritt eine „Hermeneutik des Bruches“, demzufolge das Zweite Vatikanische Konzil einen Bruch mit der gesamten vorherigen Kirchengeschichte und einen völligen Neubeginn darstellt. Aus der Feder Tagles stammt eines der wichtigsten Kapitel der fünfbändigen Konzilsgeschichte der von Giuseppe Dossetti gegründeten „Schule“, die heute von Alberto Melloni geleitet wird. Der heutige Kardinal schrieb das Kapitel über die „schwarze Woche“ im Frühjahr 1964. Ausgerechnet Benedikt XVI., der mit der „Hermeneutik der Kontinuität“ die Antithese zur „Schule von Bologna“ formulierte, hob Tagle noch schnell in den Kreis der Kirchenmänner, die seinen Nachfolger wählten und seines Alters wegen zum potentiellen Papabile für ein späteres Konklave.
Der aufgehende Stern und die Vorahnung von Haarspaltereien
Die Förderung durch Benedikt verdankte Tagle demnach weniger seinen orthodoxen Leistungen, sondern der simplen Tatsache, ein Theologe zu sein, eine Gruppe, für die Benedikt besondere Sympathie zeigte, unabhängig von ihren inhaltlichen Positionen. Seit der Wahl von Franziskus gilt Tagle „in progressistischen Kreisen als aufgehender Stern des Kardinalskollegiums“, wie Katholisches.info am 19. März 2015 schrieb. Zwischen den beiden Bischofssynoden über die Familie kritisierte er beim 2. Flame Youth Congress in Wembley die „harte und strenge“ Sprache der Kirche gegen Ehebruch und Homosexualität. „Seine Schlußfolgerungen liefern uns eine Vorahnung der Haarspaltereien, die sich mit Blick auf die Bischofssynode im Oktober abzeichnen“, schrieb die Theologin Maria Guarini (Chiesa e postconcilio) im Frühjahr 2015. Zu den Haarspaltereien und noch Schlimmerem ist es bei der Schlußabstimmung der Synode und danach auch gekommen. Dazu zählt seither das Schweigen von Papst Franziskus zu Dubia (Zweifel) und Correctio filialis (Zurechtweisung).
Als Amoris laetitia im April 2016 veröffentlicht wurde, gehörte Tagle zu den ersten Bischöfen weltweit, die dem päpstlichen Schreiben eine „weite“ Auslegung gaben und wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuließen. Im Frühjahr 2015 hatte der Kardinal dem Daily Telegraph angedeutet, daß es nicht nur um die „Wiederentdeckung“ der Barmherzigkeit Gottes gehe, sondern um einen neuen Barmherzigkeitsbegriff.
„Zum Teil sind es auch die Veränderungen der kulturellen und sozialen Sensibilität, die dazu führen, daß das, was in der Vergangenheit eine akzeptable Form war, Barmherzigkeit zu zeigen… heute, wegen unserer modernen Mentalität, nicht mehr auf dieselbe Weise gesehen werden könnte.“ Mit Blick auf die wiederverheirateten Geschiedenen sagte er:
„Jede Situation von wiederverheirateten Geschiedenen ist ausreichend einzigartig. Am Ende eine generelle Regel zu haben, könnte kontraproduktiv sein. […] Wir können nicht für alle eine einzige Formel haben.“ „Es ist gut, wenn man ab und zu verwirrt ist“
Seine Positionierung an der Seite von Kardinal Walter Kasper bekräftigte Tagle am Beginn der zweiten Bischofssynode im Oktober 2015. Als er gefragt wurde, ob die verschwommenen Aussagen, die Papst Franziskus generell vorgeworfen werden, nicht die Verwirrung noch vergrößern würden anstatt Klarheit zu schaffen, sagte er am 9. Oktober der Tageszeitung La Stampa lapidar:
„Es ist gut, ab und zu verwirrt zu sein. Wenn die Dinge immer klar wären, wäre das kein wirkliches Leben mehr.”
Kardinal Tagle und Franziskus in Manila (2015) Franziskus zeigte frühzeitig Sympathie für den Philippiner, dessen Land er Anfang 2015 besuchte und bei dieser Gelegenheit den Kurswechsel der philippinischen Bischöfe in Sachen Sexualmoral. Mit einer zwielichtigen WHO-Behauptung in der Hand, wonach mit der Ausbreitung des Zika-Virus ein erhöhtes Enzephalitis-Risiko bei ungeborenen Kindern einhergehe, stimmten sie den von der UNO verlangten Regierungsplänen zur Legalisierung der Verhütung zu.
Alberto Melloni, der heutige Leiter der progressiven „Schule von Bologna“, der Tagle angehört, rührt dementsprechend auch fleißig die Werbetrommel für den philippinischen Kardinal. Als im Herbst 2016 Tagles autobiographisches Gesprächsbuch „Ich habe von den Letzten gelernt“ erschien, schrieb Melloni in La Repubblica, der einzigen Tageszeitung die Papst Franziskus nach eigener Angabe regelmäßig liest, daß Tagle der „vollkommene Franziskus-Interpret“ sei.
In diesem Buch gab Tagle bekannt, daß der Weltfrieden nicht von der Bekehrung zu Christus und seiner Nachfolge abhängt, sondern „Weltfrieden von der Fähigkeit der Religionen zum Zusammenleben abhängt“.
Tagle „zu jung“, Schönborn aber nicht
Der Vatikanist Magister rechnet aber nicht damit, daß Tagle zum Franziskus-Nachfolger gewählt wird. Er sei mit seinen 60 Jahren „zu jung“. Sein Pontifikat könnte „zu lange“ dauern. Vor allem aber sieht Magister beim nächsten Konklave alle Konflikte aufbrechen, die Franziskus seit 2013 in die Kirche hineinträgt oder verschärft.
Kardinal Schönborn und Franziskus Sollte es beim Konklave zu einer anti-bergoglianischen Gegenbewegung kommen, wären davon alle Kardinäle betroffen, die sich als besonders Francisceisch hervortun. Davon hängt auch die Position eines anderen Kardinals ab, der inzwischen nicht mehr „zu jung“ wäre, den Papstthron zu besteigen: Christoph Kardinal Schönborn.
Erwies Franziskus 2014/2015 vor allem Tagle seine Gunst, gilt dies seit der Bischofssynode 2015 auch für Schönborn. Im Gegensatz zu Tagle, verstand es Wiens Erzbischof in der Vergangenheit, sich mit dem Nimbus eines über den Parteiungen stehenden, ehrlichen Maklers zu umgeben. Unter Papst Benedikt XVI. war er „Ratzingerianer“ und unter Papst Franziskus ist er „Bergoglianer“.
Diese geistige Beweglichkeit sichert während des jeweiligen Pontifikats eine bedeutende Stellung, erweist sich aber nicht unbedingt vorteilhaft in der Nachfolgefrage für den Stuhl Petri. Zum Tragen käme sie nur, wenn im Konklave der Wunsch nach Kontinuität bestimmend ist. Das war 2013 nicht der Fall und könnte erst recht im kommenden Konklave nicht der Fall sein. Selbst dann hätte der geborene Diplomat und anerkannte Theologe Schönborn noch immer die besseren Karten als Tagle.
Franziskus nahestehender Berufsdiplomat als nächster Papst?
Magister sieht Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin als derzeit aussichtsreichsten Kandidaten. Sollte Franziskus sein Pontifikat zu hart an die Wand fahren, wofür einiges spricht, könnten die Kardinäle in einem Berufsdiplomaten mit einer „soliden theologischen Ausbildung, wie sie unter Diplomaten selten anzutreffen ist“, einen geeigneten Papabile sehen. Wer von berufswegen die Ruhe in Person ist, könnte in stürmischer Zeit an Bedeutung gewinnen. Zuletzt war das 1939 der Fall, als Pius XII. gewählt wurde. Da Parolin von Franziskus in das höchste Kurienamt berufen wurde, könnten sich Mehrheiten bilden, in denen die Bergoglianer in jedem Fall vertreten wären:
„Heute heißt das Unternehmen, das eine wachsende Zahl von Kardinälen Parolin anvertrauen würde, das Kirchenschiff durch den von Papst Franziskus losgetretenen Sturm zu lenken, indem er dessen Auswüchse korrigiert, ohne seinen Geist zu verraten.“
Geht Kardinal Parolin zu Amoris laetitia auf Distanz zu Franziskus?
Parolin wies nach der Veröffentlichung der Correctio filialis am 29. September, am Rande einer Veranstaltung von Kirche in Not, auf die Notwendigkeit eines innerkirchlichen Dialoges hin. Darin sehen Beobachter ein Abrücken von Papst Franziskus, der sich seit April 2016 in systematischer Dialogverweigerung übt. Der Kardinalstaatssekretär griff damit auf, was Kardinal Gerhard Müller, der von Franziskus unfreundlich als Präfekt der Glaubenskongregation entlassen wurde, bereits am 26. September nahegelegt hatte.
Es wird im Streit um Amoris laetitia entscheidend für die weitere Entwicklung der Kirche, aber auch der künftigen Rolle von Kardinal Parolin sein, ob er mit seiner Dialogforderung bei Papst Franziskus durchdringen kann. http://www.katholisches.info/2017/10/wer-wird-franziskus-ii/ / Text: Giuseppe Nardi Bild: Vatican.va/AsiaNews/MiL (Screenshots)
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