Buchbesprechung Franz Kronbeck, Martin Luthers Kampf mit Gott 31. Oktober 2017
Bronzeepitaph (1548), ursprünglich für Luthers Grabmal gedacht. d Von Wolfram Schrems*
Im Hinblick auf das „Luther-Jahr“ 2017 erschienen laufend Publikationen zu Person und Lehre Martin Luthers von unterschiedlichem Wert. Eine von diesen ist ein wertvolles Büchlein des bayrischen katholischen Philosophen und Latinisten Franz Kronbeck. Dieses verdient unsere volle Aufmerksamkeit.
Profunde Publikationen über Martin Luther – Widerspruch zur „offiziellen Geschichtsschreibung“
Nach zwei kritischen Büchern zu Martin Luther, die bereits auf dieser Seite besprochen wurden, nämlich Paul Hackers Das Ich im Glauben bei Martin Luther und Theobald Beers Der fröhliche Wechsel und Streit sei also nunmehr der neueste und ebenso qualitätsvolle Beitrag gegen das „offizielle“ Narrativ vorgestellt.
Der Ausgangspunkt des Autors ist folgender:
Der „Kampf mit Gott“ und das schlechte Gewissen
Kronbeck: Martin Luthers Kampf mit Gott Martin Luther war mit Gott und mit sich nicht im Reinen. Daraus folgte alles andere.
Luther, „als Student ein lebenslustiger Bursche“ (13) und höchstwahrscheinlich Vater unehelicher Kinder (11), versuchte mit seinem Klostereintritt vor den juristischen und psychologischen Konsequenzen eines Vergehens zu fliehen, nämlich der Tötung eines Kommilitonen im (bei Todesstrafe verbotenen) Duell. Der Eintritt ins Kloster war somit nicht innerlich frei vollzogen und daher Anlaß zu großem Seelenleid. Um dieses herum baute Luther seine Theologie.
Sie bestand aus Selbstrechtfertigungen, Projektionen, Ausreden und Anklagen.
Hier kommen wir in eine Problematik, die heutzutage endemisch geworden ist, nämlich das Abwälzen eigener Schuld und die damit verbundenen Rationalisierungen und sonstigen Verrenkungen, die in weiterer Folge nach einer Rechtfertigung des Menschen an sich streben („Anthropodizee“):
„Luther wollte, wer könnte es ihm verargen, wieder frei sein, er wollte eine Schuld loswerden, die er wahrscheinlich nie als die eigene angenommen hat, und über die er nie zu einer echten Reue gekommen ist“ (18). Um damit – vermeintlich – fertigzuwerden, leugnet Luther die Willensfreiheit und schreibt Gott die Alleinwirksamkeit für das menschliche Handeln, auch für das böse, zu. Damit gelangt er zu einer doppelten Prädestination (27) und einem grotesken Gottesbild (50).
Was in Zeiten einer massiven Islamisierung Europas die Willkürherrschaft Allahs begünstigen muß.
Luthers Problem mit dem Hauptgebot – und die Folgen
Was vielen nicht bewußt sein wird, ist, daß Luther, obwohl ein theoretischer Vertreter der Nächstenliebe, die Möglichkeit der Gottesliebe leugnet.
Dieser Mangel ist im Hauptstromprotestantismus, außerhalb des Pietismus, zu einem Charakteristikum geworden.
Kronbeck erläutert:
„Wie verkrüppelt die Grundstimmung seiner Seele war, zeigt das nachfolgende Zitat Luthers: ‚Maledicta sit humilitas‘ (WA I 181,21). ‚Maledicta sit caritas‘ (…) ‚Verflucht sei die Demut, verflucht sei die Liebe!‘. Folgerichtig kommt Paul Hacker zu dem Schluß, daß Luther in seiner geistlichen Entwicklung gescheitert ist“ (72). Und da es sich bei dieser Weichenstellung nicht um akademische Spitzfindigkeiten handelt, folgten unfaßbare Exzesse, die in Kriege und Verfolgungen mündeten, Christenheit und Reich spalteten und den Vormarsch der Osmanen begünstigten (vgl. 39ff, 54). Zudem zerfiel die „Reformation“ in immer weitere Spaltungen. Da Luther die gesunde Philosophie bekämpft hat, bringen protestantische Autoren zwangsläufig widervernünftige Gedankenkonstrukte hervor (Kant, Hegel, Nietzsche u. a., 81).
An den Früchten erkennt man eben den Baum.
„Sola scriptura“?
Ein Mythos der „offiziellen“ Geschichtsschreibung ist die Bibelübersetzung Martin Luthers im Sinne einer Pioniertat:
„[Die] Aussage, Luther hätte den Deutschen die Bibel erst zugänglich gemacht, ist nicht korrekt. In den Jahren 1466 bis 1521 gab es nicht weniger als 14 hochdeutsche und 4 niederdeutsche Übersetzungen der Bibel. Übersetzungen, die nicht so willkürlich waren, und die wesentlich weniger philologische Mängel aufwiesen als die Übersetzung Luthers. Wenn Luther zudem sagt, daß allein die Heilige Schrift die Quelle des Glaubens ist, dann ist dieses Wort von Grund auf falsch: In der Bibel steht ausdrücklich geschrieben, wie wichtig die Tradition ist (2 Thess 2,15 und 3,6)“ (74). Kronbeck ist in seiner Kritik an der Ideologie des Sola Scriptura, die evidenterweise einen Selbstwiderspruch darstellt, erfrischend:
„Die Parole ‚sola scriptura‘ ist verlogen, weil Luther die Bibel willkürlich liest, weil er sie willkürlich übersetzt und willkürlich auslegt“ (75). Luther-Wahn unter katholischen Kirchenmännern
Karikatur von 1529 Kardinal Karl Lehmann äußerte in einem Interview im Februar dieses Jahres (98) die Hoffnung, daß Luther kirchlicherseits als „Zeuge des Evangeliums“, „gemeinsamer Lehrer“ und sogar „Vater im Glauben“ deklariert werden möge (was etwa der Linzer Bischof Manfred Scheuer schon 2016 und der Vatikan Anfang 2017 getan hatten).
Es ist schwer zu erklären, wie ein an sich hochgebildeter Kirchenmann auf eine solche Absurdität kommt:
„Wie kann man, selbst wenn man einige zweideutige und relativierende Worte einfügt, einen Mann, der so über Gott, Welt und Mensch gedacht hat, jemanden, der die allgemeine Tradition der Kirche, ihre Dogmen und Bräuche so von Grund auf verworfen hat, jemanden, der in sehr vielen Bereichen, ja in fast allen Grundfragen schon von den Prinzipien her von der immerwährenden Lehre der Kirche abgewichen ist, einen ‚Vater im Glauben‘ nennen? Man hat manchmal schon den Eindruck, die Begeisterung für Luther wachse proportional zur Unkenntnis dessen, was er wirklich gesagt und gelehrt hat“ (99). Resümee
Kronbeck ist es gelungen, in einem dünnen Bändchen Luthers Ansatz und dessen Folgen verständlich und spannend darzustellen. Damit leistet er im „Luther-Jahr“ einen wichtigen Beitrag zu Entmythologisierung und Widerlegung Luthers.
Martin Luther, Anfang 17. Jhdt. Eine 53 Titel umfassende Literaturliste, eine Übersicht über Luthers Lebensdaten und 112 Endnoten befestigen den Wert des Buches und leiten zu weiterer Vertiefung an. –
Leider läßt das Lektorat bei Sarto auch in diesem Fall zu wünschen übrig. Man hofft, daß eine allfällige und anstrebenswerte Neuauflage die Verschreibungen korrigieren wird.
Inhaltlich wird man dem Autor bei einer Neuauflage empfehlen können, auf die auf S. 50 genannte Jesaja-Paraphrase Ego sum, qui creo bonum et malum („Ich bin es, der das Gute und das Böse schafft“, nach Jes 45,7), die Luther zur Begründung seiner Lehren aus dem Gesamtzusammenhang des Glaubens riß, näher einzugehen. Diese Stelle war schon für den Häretiker Markion (gest. 150) ein Beleg, daß das Alte Testament und das Neue Testament zwei verschiedene Urheber hätten. Was Markion bedrängte, bedrängte offenbar auch Luther und wurde im Negativen geschichtsmächtig. Das sollte (auch wegen der Relevanz für die Theodizee) doch näher thematisiert werden. –
Der Band eignet sich aufgrund seiner schmalen Dimension und seines geringen Verkaufspreises sehr gut als Gabe für diejenigen, die sich für eine gründliche Widerlegung Luthers interessieren – oder interessieren sollten.
Der Rezensent dankt dem Autor für die freundliche Zusendung eines Exemplars und dem Verlag für die Beilegung eines Extra-Exemplars bei der Bestellung.
Franz Kronbeck, Martin Luthers Kampf mit Gott, Sarto, Bobingen 2017, 127 S.
*MMag. Wolfram Schrems, Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist, reiche Erfahrung im interkonfessionellen Gespräch
Bild: Wikicommons
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