Italienischer Enthüllungsjournalist mit neuem Buch Die Macht der Homo-Lobby im Vatikan 30. November 2017
Nuzzis neues Buch über die Homo-Lobby im Vatikan und ihre Macht. (Rom) Das neue Buch von Giancarlo Nuzzi „Peccato originale“ (Erbsünde), erschienen am 9. November im Mailänder Verlag Chiarelettere, liefert „ein erschütterndes Bild über die Macht der Homo-Lobby im Vatikan“, wie Emanuele Barbieri in der Corrispondenza Romana schrieb.
Nuzzis Enthüllungen
Nuzzi ist kein unbeschriebenes Blatt. Er selbst sieht sich in der Position des Enthüllungsjournalisten, dem Dokumente und Informationen zugetragen werden, die er durch hartnäckige, eigene Recherche vertieft und in Buchform vorlegt. Dies alles, um den Papst bei seinen Reformbemühungen zu unterstützen, wie er 2015 bei der Herausgabe seines Buches „Via Crucis“ erklärte. An dieser Darstellung ist viel Wahres, aber nicht alles trifft genau so zu, wie auf dieser Seite bereits geschrieben wurde.
Tatsache ist, daß Nuzzi von der Strafverfolgungsbehörde des Heiligen Stuhl vor Gericht gestellt, aber freigesprochen wurde. Dabei ging es um Dokumentenklau und Geheimnisverrat.
Das neue Buch ist der vierte Band seiner „Enthüllungen“ über den Vatikan, über „Geheimkonten, verborgene Wahrheiten, Erpressung“. Erneut stellt sich Nuzzi und sein Buch in den Dienst des Papstes, wenn er nun über „den Machtblock“ berichtet, „der die Revolution von Franziskus behindert“.
Wir wollen Nuzzis teils zweifelhafte Methoden der Dokumentenbeschaffung und die vielen „Schlagwörter“ beiseite lassen, die mehr verkaufsstrategischen Aspekten geschuldet sind, und uns auf das Wesentliche des neuen Buches konzentrieren. Wenn es Anstoß für Verbesserungen ist, sei auch Nuzzis Sensationshascherei mit Geduld ertragen.
Die Ministranten des Papstes
Ausgangspunkt von allem sind Beschwerden eines ehemaligen Studenten eines vatikanischen Vorseminars. Kamil Tadeusz Jarzembowski gibt an, Zeuge von sexuellem Mißbrauch geworden zu sein, der sich innerhalb der Leoninischen Mauern zugetragen hat. Ebenso gibt er an, zahlreiche Sachverhaltsdarstellungen darüber an kirchliche Stellen verschickt zu haben, ohne daß etwas geschehen sei.
Die Einrichtung, um die es geht, wurde von Don Giovanni Folci (1890 – 1963), einem Priester des Bistums Como, gegründet worden, der als junger Feldkurat am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte. 1926 errichtete Don Folci in Valle Calorina in seinem Heimatbistum, wo er Pfarrer war, Jesus dem Göttlichen Gefangenen (in Anspielung an Jesus als Gefangenen der Liebe im Tabernakel) ein Heiligtum. Neben diesem Heiligtum wollte er ein Institut gründen für Jugendliche, die auf der Suche nach ihrer Berufung sind, und um sie auf den Eintritt in das Priesterseminar vorzubereiten.
Die Gründung erfolgte als diözesane Priestervereinigung, die an das Bistum Como gebunden ist. Das Werk wurde von Papst Pius XII. so geschätzt, daß er ihm 1956 den liturgischen Dienst der Altardiener im Vatikan anvertraute. Papst Paul VI. gewährte 1971 dem Vorseminar den Palazzo San Carlo als Sitz, heute nur wenige Schritte von Santa Marta entfernt.
Das Vorseminar beherbergt Jungs der schulischen Oberstufe, die sich über ihre Berufung zum Priestertum Klarheit verschaffen wollen und in der Regel zwischen 14 und 19 Jahre alt sind. Sie gehen am Institut Sant’Apollinare zur Schule, das Teil des Kleinen Römischen Seminars ist, also ein Gymnasium, und leisten gleichzeitig liturgischen Dienst im Petersdom. Deshalb sind sie als „Ministranten des Papstes“ bekannt.
Der Gründer Don Folci, der sein ganzes Leben heiligen Priestern und der Heiligung der Laien gewidmet hatte, starb 1963.
„Nie hätte er sich vorstellen können, daß sein Proseminar, das als Pflanzstätte der Heiligkeit entstanden war, eine Brutstätte der moralischen Verkommenheit werden würde“, so Barbieri.
Klima der Komplizenschaft und Vertuschung
Noch besorgniserregender als die unappetitlichen Episoden, die nun enthüllt wurden, ist das Klima aus Komplizenschaft und Vertuschung, mit dem bisher alles zugedeckt wurde. Die Verantwortlichkeiten werden zu klären sein. Die italienische Fernsehshow Le Iene (Die Hyänen) befaßte sich nach dem Erscheinen des Nuzzi-Buches in zwei Folgen am 12. und 20. November mit dem Thema. Man könnte es für einen seltsamen Zufall halten, daß die Idee für diese Fernsehshow aus Argentinien stammt. Le Iene zeigten mit dem Finger auf den Rektor des Proseminars, Msgr. Eugenio Radice, den emeritierten Bischof von Como, Msgr. Diego Coletti, und auf Kardinal Angelo Comastri, weil dieser als Erzpriester die Verantwortung für den Petersdom trägt.
Der Kardinal widersprach am Tag nach Ausstrahlung der Sendung, am 21. November, energisch mit einer öffentlichen Stellungnahme. Er habe am Ende des Studienjahres 2012/2013 einen anonymen Hinweis auf „schlimme Vorfälle“ im Vorseminar erhalten. „Ich habe nichts vertuscht, sondern drei Untersuchungen eingeleitet und weitere Maßnahmen gesetzt.“ Der Kardinal habe zunächst den zuständigen Rektor um eine Untersuchung und eine Stellungnahme gebeten. Der habe ihm mitgeteilt, daß es sich um Verleumdungen handle. Dann habe er unabhängig davon den Oberen der Priester am Vorseminar um Untersuchungen gebeten, der ihm ebenfalls mitgeteilt habe, daß es sich um Verleumdungen handle. Dann habe er sicherheitshalber den zuständigen Bischof von Como um Untersuchungen gebeten. Das Ergebnis wurde ihm Anfang 2014 vorgelegt: nur Verleumdungen. Er habe, so der Kardinal, dennoch einen namentlich genannten Schüler aus Rom nach Como zurückschicken lassen, wo seine Reifung genau beobachtet werden sollte. Und schließlich habe er das Führungspersonal am Proseminar austauschen lassen.
Das vatikanische Presseamt
Auch das vatikanische Presseamt meldete sich mit einer Presseerklärung zu Wort, in der festgehalten wurde, daß „die beklagten Fälle einige Gleichaltrige untereinander betroffen“ habe. Tatsächlich sind das die konkretesten Dinge, die Nuzzi berichten kann, daß ältere Schüler, sich sexuell an jüngeren Schülern vergingen oder Gleichaltrige homosexuelle Handlungen begingen.
Es geht aber um den Tenor der vatikanischen Presseerklärung, der in etwa so klingt: Es handle sich „nur“ um homosexuelle Beziehungen unter Minderjährigen und nicht um Mißbrauch Erwachsener gegen Minderjährige oder gar um Fälle von Pädophilie.
„Die vorherrschende relativistische Mentalität ist leider auch in den Vatikan eingedrungen und scheint sexuelle Überschreitungen zu dulden, solange keine Gewalt oder kein Mißbrauch im Spiel sind“, so Corrispondenza Romana. Die moralische Unordnung wurde vom vatikanischen Presseamt nicht verurteilt. Eine solche scheint nur dann zu folgen, wenn damit ein staatliches Gesetz verletzt wird. Das moralische Gesetz ist demnach sekundär. Genau so denkt ja auch ein Großteil der Welt. Da die Homosexualität vom staatlichen Gesetz inzwischen nicht mehr verurteilt wird, sondern vielmehr durch immer neue Gesetze geschützt und gefördert wird, zeigt man sich auch im vatikanischen Presseamt offenbar auch dahingehend „gesetzestreu“.
Keine Ruhestörung gefälligst
Was bedeutet das konkret, heute und noch immer? Wenn kirchliche Stellen Kenntnis von unmoralischen Zuständen in einem Seminar, in einem Studentenheim, in einer Pfarrei, in einer Vereinigung oder in einer Diözese erhalten, gehen sie häufig nicht gegen die Verantwortlichen der unmoralische Tat vor, sondern gegen jene, die sie gemeldet haben. Der Grund? Letztere haben die herrschende Ruhe gestört. Ein Skandal verlangt von den Vorgesetzten Handeln und sorgt für Unruhe, möglicherweise für einen Ansehensverlust und könnte die angepeilte Karriere behindern. Und überhaupt ist die unaufgeregte Ruhe für viele eine „heilige Kuh“.
So hat es auch den ehemaligen Spiritual des Proseminars getroffen. Ihm hatte sich Jarzembowski anvertraut. Und der Spiritual wurde aktiv, allerdings vergeblich, wie Nuzzi berichtet. Anstatt ihn anzuhören und zu handeln, wurde er von den Vorgesetzten in sein heimatliches Veltlin zurückgeschickt. Der homosexuelle Seminarist wurde hingegen zum Priester geweiht und ist heute im Bistum Como tätig.
Die Macht der Homo-Lobby
Das ist die „Macht der Homo-Lobby“ von der Nuzzi in seinem Buch spricht. Eine Lobby, die im Vatikan „seit fast einem halben Jahrhundert existiert und alle hatten immer Kenntnis davon“ (S. 279). „Bereits zur Zeit von Paul VI. waren homosexuelle Verhaltensweisen an der Kurie bekannt, aber man sprach nicht darüber“ (S. 289). „Gruppen, die in der Lage sind, Ernennungen und Arbeitszuteilungen zu bedingen, die imstande sind, die Personalentscheidungen einiger Purpurträger zu beeinflussen, und fähig sind, zu unangemessener ‚Protektion‘ und zu unrechtmäßigen Privilegien zu gelangen, die ihren Mitgliedern führende Positionen sichern“ (S. 280).
Nuzzi verallgemeinert wahrscheinlich zu sehr im Vergleich zu den Beweisen, die er anführen kann. Tatsache ist aber, daß sich eine „Homo-Lobby“ gebildet hat und in einem bestimmten Bereich, und sei er noch so klein, Personalentscheidungen beeinflussen, sich gegenseitig absichern, Ihresgleichen fördern und auch eigene Schandtaten zudecken kann. Allein schon, daß es zu einer solchen Lobbybildung kommen konnte, zeigt, welche Unachtsamkeit in den vergangenen Jahrzehnten zu diesem Thema im Vatikan herrschte und herrscht.
Nuzzi erinnert an die Klagen von Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus über die Existenz einer „Homo-Lobby“. Er erinnert auch an die Aussagen des ehemaligen Kommandanten der Schweizergarde, Oberst Theodor Mäder, der von einer „so mächtigen Homo-Lobby sprach“, daß sie sogar „für die Sicherheit des Papstes gefährlich“ sei.
„Die Mörderkuh“ der römischen Homo-Szene
Nuzzi berichtet von Monsignori, von denen die bekannteste Party der römischen Homo-Szene besucht wird, „La mucca assassina“ (Die Mörderkuh). Eine Party, die jeden Freitag steigt. Zunächst fand sie in einem aufgelassenen Rotlichtkino in der Nähe des Vatikans statt, inzwischen in der größten Diskothek der Stadt, an der Peripherie von Rom. Nuzzi erinnert auch an die Homo-Feste mit Kokain, die von Msgr. Luigi Capozzi, dem persönlichen Sekretär von Kardinal Francesco Coccopalmerio, in einem Appartement im Palast des ehemaligen Heiligen Offizium gefeiert wurden. Die Vatikanpolizei setzte ihnen vor wenigen Monaten in flagranti ein Ende, indem sie Capozzi in entsprechender Begleitung und bei unangemessenen Handlungen erwischte. Kardinal Coccopalmerio ist seit 2007 Vorsitzender des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte und wurde 2012 von Benedikt XVI. in den Kardinalsrang erhoben. Er ist heute ein tatkräftiger Unterstützer der Linie Bergoglio.
Diese Erwähnung ist deshalb notwendig, weil Nuzzi Coccopalmerio unverständlicherweise den „Feinden“ von Papst Franziskus zuordnet. Offenbar um seine schwarz-weiße Grundbehauptung aufrechterhalten zu können, daß er an der Seite des Papstes und seiner „Reform“ steht, den er vor den Feinden und Beschmutzern des Stuhles Petri schützen will. Dazu zählt er auch die „Homo-Lobby“. Doch die Sexualität, vor allem jene auf Abwegen, folgt da wohl ganz anderen Gesetzmäßigkeiten. Und noch etwas, woran Emanuele Barbieri erinnert: „‘Wer bin ich, um zu urteilen?‘ ist zum Schlüsselwort der Gay friendly-Kreise in der Kirche geworden, in- und außerhalb des Vatikans.“
Text: Giuseppe Nardi Bild: Chiarelettere (Screenshot)
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