Juan Jose Sebreli über Papst Franziskus
Der Intellektuelle, der Bergoglio in Schach hält 9. Januar 2018 0
Papst Franziskus gestern beim Neujahrsempfang des Diplomatischen Korps. Ein Buch bringt Kritik von unerwarteter Seite: von einem linken Nicht-Katholiken.
(Buenos Aires) In Argentinien ist ein Buch erschienen, das sich von ungewohnter Seite kritisch mit Papst Franziskus auseinandersetzt. Es ist Kritik von nicht-katholischer Seite und von links. Eine ungewohnte Kombination für ein Pontifikat, das gerade aus diesem Umfeld auf beachtlichen Zuspruch stößt. Der Zuspruch gilt dabei allerdings mehr der Person des derzeitigen Kirchenoberhauptes, weniger der katholischen Kirche und der Glaubenswahrheit.
Daß Papst Franziskus in Argentinien einige offene Kapitel hat, ist spätestens seit dem ständigen Hinauszögern eines Heimatbesuches klar. Es dürfte sich um einige persönliche, aber auch um politische Kapitel handeln, die mit dem Verhältnis bestimmter Gruppierungen zur Kirche zu tun haben.
Gott im Labyrinth Das Buch ist nicht mehr ganz neu, zieht aber erst jetzt einige Kreise. Es stammt aus der Feder von Juan Josè Sebreli und trägt den Titel „Dios en el labirinto“ (Gott im Labyrinth). Erschienen ist es bereits im Dezember 2016. Es befaßt sich nicht exklusiv mit Papst Franziskus, sondern stellt, wie es in der Bewerbung heißt, „das ambitionierteste und radikalste Projekt“ des Autors dar: „Die Demolierung des religiösen Phänomens aus agnostischer Sicht“.
Sebreli: Gott im Labyrinth Nun veröffentlichte der Journalist und Schriftsteller Jorge Fernandez Diaz in der argentinischen Tageszeitung La Nacion, deren ständiger Kolumnist er ist, die Buchbesprechung „Der Intellektuelle, der Bergoglio in Schach hält“.
La Nacion, 1870 gegründet, hat eine liberalkonservative Grundausrichtung und steht damit rechts von Clarin, der zweiten großen Tageszeitung des Landes. Der Vergleich von La Nacion mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung trifft weitgehend zu, allerdings mit dem Unterschied, daß der Ton in der deutschen Zeitung gegenüber Papst und Kirche allgemein, nicht nur auf Franziskus bezogen, in der Vergangenheit respektvoller war.
Fernandez Diaz gilt als einer der bedeutendsten, zeitgenössischen, spanischsprachigen Schriftsteller. Zuletzt veröffentlichte er 2017 den Roman „La Herida“ (Die Wunde). Seit 2012 ist er Träger des Ordens Isabellas der Katholischen, der höchsten spanischen Auszeichnung für Ausländer. Der Orden wird vom König auf Vorschlag des spanischen Außenministeriums verliehen.
Das von Fernandez Diaz besprochene Buch fällt weit aus dem Rahmen dessen, was bisher an Büchern über Papst Franziskus vorgelegt wurde. Kritik kam bisher, wenn schon, von ganz anderer Seite: etwa das Buch „Der Papst-Diktator“ von Marcantonio Colonna oder das bereits angekündigte Buch von Philip Lawler „Lost Shepherd – Der verirrte Hirte“, das am 26. Februar erscheinen wird.
Juan Josè Sebreli Der Autor von „Gott im Labyrinth“, Juan Jose Sebreli, gehört zu den bekannteren argentinischen Linksintellektuellen. Der 87 Jahre alte Sebreli ist wenn nicht Atheist, dann zumindest Agnostiker, und er ist homosexuell. Dennoch empfindet er nicht die geringste Sympathie für den derzeitigen Papst, was in erster Linie daran zu liegen scheint, daß Jorge Mario Bergoglio sein Landsmann ist.
Juan Jose Sebreli In seinem Buch demoliert Sebreli das Image des Papstes, jedenfalls jenes, das andere – nicht zuletzt mit Blick nach links – mit besonderem Eifer von ihm pflegen.
Fernandez Diaz verteidigt Franziskus, wenn auch vorsichtig, gegen die Schärfe im Tonfall. Das ist bemerkenswert, weil Sebreli immerhin ständiger Autor von La Nacion und der Rezensent kein übermäßig katholischer Apologet oder gar „Fundamentalist“ ist. Ein Wort, das Papst Franziskus übrigens ganz und gar nicht mag.
Juan José Pérez Sebreli wurde 1930 in Buenos Aires geboren, wo er Soziologie studierte. Seine Formung erlebte er durch von Hegel geprägte, marxistische Linksintellektuelle.
Während der Periode der Revolucion Libertadora, wie die Zeit nach dem Putsch von 1955 genannt wurde, mit der die Herrschaft von Juan Domingo Peron beendet wurde, stellte er sich gegen die Militärregierungen. Anfang der 70er Jahre gründete er die Homo-Bewegung mit pathetischem Namen Frente de Liberacion Homosexual (Homosexuelle Befreiungsfront). Wegen seiner Regimekritik mußte er sogar für einige Monate ins Gefängnis.
Der Sieg der Peronisten und die Rückkehr Perons war allerdings nicht, was er wollte. Im Peronismus, zu dem er auf Distanz blieb, sah er trotz dessen Linksausrichtung eine „faschistische Bewegung“. Sebreli selbst bezeichnet sich als Sozialdemokrat „im europäischen Sinn“, der radikale Kritik an der argentinischen Innenpolitik übt. 2015 behauptete er, in Argentinien „ist die Demokratie 2001 gestorben“.
Populismus-Kritik Hauptthema seiner Kritik sind der Populismus und der Irrationalismus. Ersteres ist ein typisches, aber nicht exklusives Phänomen Argentiniens, letzteres steht in direktem Zusammenhang mit Sebrelis Kirchen- und Religionsfeindlichkeit.
Juan und Evita Peron Die Zeit von 1943 (dem Aufstieg Perons) bis 1983 (dem Ende der Militärdiktatur) bezeichnet er als Periode des „Schattens“, der sich über das Land gelegt habe. Argentinien sei in dieser Zeit von einem „brutalen System“ regiert worden, „das von der Kirche und dem Heer gestützt“ wurde.
Damit sind auch schon die wichtigsten Linien gezogen, die ihn in einen Gegensatz zu seinem Landsmann Papst Franziskus bringen.
Ob Papst Franziskus Sebrelis Buch gelesen hat, ist nicht bekannt. Ausgeschlossen ist es nicht, da zu seinen engsten Beratern mit Victor Manuel Fernandez (Titularerzbischof, Rektor der Katholischen Universität von Argentinien und Ghostwriter des Papstes) und Marcelo Sanchez Sorondo (Kurienbischof, Kanzler der Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften und politischer Arm des Papstes) zwei Argentinier gehören, die aufmerksam die Entwicklung in der Heimat im Auge behalten. Sanchez Sorondos Vater war an führender Stelle am Putsch von 1955 beteiligt. Der Sohn unterhält heute hingegennerstaunlich gute und enge Kontakte mit der internationalen, radikalen Linken.
Sebreli ist vielleicht nicht der einzige Linke, der sich vom Linksschwenk von Papst Franziskus (und Sanchez Sorondo) nicht beeindrucken läßt. Er ist bisher aber der einzige, der es so offen und so radikal ausgesprochen hat.
Die Option für die Armen und der religiöse Populismus Papst FranziskusDrei Aspekte seiner bissigen, manchmal ironischen Kritik an Papst Franziskus sollen herausgegriffen werden:
Las Villas Die Villas miseria, die Elendsviertel am Rande der argentinischen Großstädte, und ihre Bewohner, die Villeros, scheinen „dem Papst besonders zu gefallen, entsetzen aber ihre Bewohner. Es gibt in ihnen nicht den geringsten Enthusiasmus für diese wunderbaren Gemeinschaften, in denen der Katholizismus auf so vorbildliche Weise blüht. Die Illusion aller Villeros besteht darin, sie so schnell als möglich zu verlassen. Deshalb tun sie nichts für sie von dem, was sie tun könnten.“
Die Option für die Armen „Die vorrangige Option für die Armen, wir könnten sogar von einer exklusiven Option sprechen, erfolgte durch die Kirche, als die Armen wie eine Flut für die Evangelikalen optierten, ohne daß die vorrangige Option der Flut den geringsten Damm entgegengesetzt hätte.“
Der religiöse Populismus Auch der dritte Aspekt scheint einen eindeutigen Adressaten zu haben: Sebreli schildert einen religiösen Populismus, der dem Fortschritt mißtraut, mit charismatischer Führung und einem erstaunlich antiintellektuellen Wesenszug.
Sebreli spielt dabei unter anderem auf die ironischen Worte eines Pfingstler-Pastors gegenüber der New York Times an:
„Die Ironie ist, daß die Katholiken für die Armen optierten, als die Armen für die Evangelikalen optierten.“
Er sieht in Bergoglio einen „populären Konservativen“, der in der Armut „keinen Mangel, sondern eine Tugend“ sieht.
Daraus formuliert Sebreli seine Kritik:
„Die Hilfe für die Armen besteht nicht darin, die Armut wie ein Verdienst zu feiern, sondern sie zu bekämpfen.“
Weder der Liberalismus noch der Marxismus, so der Autor, könnten Franziskus in seiner Sichtweise der Armut folgen, da beide ein Wirtschaftsproblem mit der Wirtschaft lösen wollen.
Papst Franziskus als Politiker beurteilen „Der demütige Papst als Dorfpriester verbirgt den geschickten und gerissenen Politiker…“ Das sei der Machiavellismus: „Ignatius von Loyola verkleidet als süßer Franz von Assisi.“
Karikatur des linksradikalen Stiano, der heute für die Zeitung der italienischen Bischöfe zeichnen darf. Karikatur des linksradikalen Stiano (selbst im Bild hinten links als Prototyp eines Linken), der heute für die Zeitung der italienischen Bischöfe zeichnen darf. Diese „Dualität“, die Sebreli in Franziskus zu erkennen meint, mache diesen zu dem, was Chesterton einen „göttlichen Demagogen“ nennt.
So wie Benedikt XVI. als Denker beurteilt wurde, darin gibt der Rezensent Sebreli recht, so müsse Franziskus als Politiker beurteilt werden. Denn er sei wie Peron fähig, zu mutieren und jedem das zu erzählen, was er hören will, und für seine Zwecke sogar seine ehemaligen Gegner zu benutzen, solange er die Führung hat und die Entscheidungen treffen kann.“
Sebrelis Buch „Gott im Labyrinth“ ist die Kritik eines gottlosen Kirchengegners, dessen Text über Strecken eine Zumutung ist, was nicht die eine oder andere interessante Beobachtung und Analyse ausschließt.
Text: Giuseppe Nardi Bild: Vatican.va/Diario de cultura/RBA/MiL (Screenshots)
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