Herzlich Willkommen, hier in diesem Forum....http://files.homepagemodules.de/b531466/avatar-4dbf9126-1.gif
  • 26.08.2018 00:21 - Verein „Papatya“ hilft ihnen Im schlimmsten Fall droht der Ehrenmord: Wie Mädchen in Berlin vor Zwangsehen fliehen
von esther10 in Kategorie Allgemein.

Verein „Papatya“ hilft ihnen
Im schlimmsten Fall droht der Ehrenmord: Wie Mädchen in Berlin vor Zwangsehen fliehen
[Berlin]


dpaJunge Fraue in Berlin (Symbolbild).

Sonntag, 26.08.2018, 10:24
Wenn Christine* an ihre Arbeit denkt, erinnert sie sich an einen besonders tragischen Fall: an die 20 Jahre alte Rokstan Malak, die kurz nach ihrer Rückkehr in die Familie getötet wurde. Der Vater, ein syrischer Kriegsflüchtling, hat sich ins Ausland abgesetzt, dem Bruder konnte nichts nachgewiesen werden, sagt Christine. Sie spricht von einem „Ehrenmord“. In den Augen der Familie sei die junge Frau eine „ehrlose Hure“ gewesen – weil sie als Vergewaltigungsopfer die Familienehre ruiniert habe.

Seit 30 Jahren macht Christine ihren Job. Die Psychologin ist Beraterin bei „Papatya“ – einer Kriseneinrichtung für junge Frauen und Mädchen in Berlin. Wer hier in das Mädchenhaus, dessen Lage geheim gehalten wird, einzieht, fürchtet meist um sein Leben. Denn die Bewohnerinnen sind alle Opfer von Zwangsehen und familiärer Gewalt. Christine gehört zu dem zehnköpfigen „Papatya“-Team, das sich um die drangsalierten Mädchen kümmert.

Rund 2000 von ihnen hat der Verein bislang betreut. Christine und ihre Kolleginnen sind eine erste Anlaufstelle in akuten Notsituationen. Sie kennt die Schicksale der jungen, manchmal noch minderjährigen Opfer, die von ihren eigenen Vätern und Müttern geschlagen werden. „Oft ist es so, dass Gewalt in den Familien schon ein normales Erziehungsmittel ist. Die richtigen Probleme fangen dann aber an, sobald die Mädchen in die Pubertät kommen“, sagt die Beraterin im Gespräch mit FOCUS Online. Zwangsehen und Gewalt gehen meist Hand in Hand, wie Christine weiß.


Wenn Mädchen in die Pubertät kommen, geraten sie unter Druck
Im Durchschnitt sind es 16-Jährige, die bei „Papatya“ Hilfe suchen. Derzeit leben sechs Mädchen dort. „Viele sagen mir: ‚Als ich meine Tage bekommen habe, wurde ich mehr und mehr kontrolliert‘“, erzählt Christine. Die Mittfünfzigerin kennt die Situationen, in denen die Betroffenen den Entschluss fassen, ihr Zuhause zu verlassen: „Wenn sie merken, dass ihre Familie nicht nur die Gegenwart bestimmen wollen – sondern auch die Zukunft. Wenn der Vater etwa sagt: ‚Du weißt schon, dass du einen Muslim heiraten musst. Jemanden aus der Familie‘. Dann werden Träume der Mädchen zerstört. Zum Beispiel der eines Studiums und der Selbständigkeit.“

In sehr vielen Fällen jedoch fliehen die Mädchen, weil die Eltern den Verdacht hegen, dass ihre Töchter feste Freunde haben. „Manche Eltern werden schon nervös, wenn sich das Mädchen zu einem fremden Jungen in den Fahrstuhl stellt“, so Beraterin Christine weiter. „Das kann so weit gehen, dass sie deswegen die Ehre der Familie in Gefahr sehen.“

„Junge Frauen, die ihren eigenen Weg gehen, widersprechen dieser Wertvorstellung“
Aus Sicht solcher Familien, die bei „Papatya“ vorwiegend aus der Türkei, dem Libanon, Afghanistan, Syrien und dem Irak stammen, ist eine beschmutzte Ehre ein Angriff auf den sozialen Status. Dieser war in den Herkunftsländern, vor allem in Zeiten, in denen es noch kaum Polizei und Justiz gab, von großer Bedeutung, sagt Christine. „Wer einen hohen sozialen Status hat, muss keine Angriffe durch Dritte fürchten“. Die Position in der Gesellschaft sei bis heute nicht nur durch finanziellen Wohlstand definiert, sondern auch dadurch, dass der Vater als Familienoberhaupt die Familienmitglieder im Griff hat. „Junge Frauen, die ihren eigenen Weg gehen wollen, widersprechen dieser Wertvorstellung“, erklärt Christine.

Sie betont: „Frauen geraten vor allem in jenen Familien unter Druck, in denen es wenig andere Statusquellen, wie zum Beispiel Reichtum, gibt.“ Dann wird ihre „soziale Jungfräulichkeit“ besonders wichtig, um die Ehre aufrechtzuerhalten. Deswegen wollen die Eltern die Mädchen auch mit Angehörigen zwangsverheirateten.

Papatya e.V - anonyme Kriseneinrichtung
"Papatya" bietet Schutz und Hilfe für Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund, die aufgrund kultureller und familiärer Konflikte von zu Hause geflohen sind und von ihren Familien bedroht werden.

Ihnen gefällt der Verein und Sie wollen für ihn spenden?

Begünstigter: Papatya e.V

Kreditinstitut: Bank für Sozialwirtschaft

IBAN: DE82 1002 0500 0003 3478 00

BIC: BFSWDE33BER

Nur selten bringen die Opfer die Taten zur Anzeige
Laut einer Studie des Bundesfamilienministeriums sind rund 3400 Menschen in Deutschland von der unfreiwilligen Verheiratung betroffen. Im Gegensatz zur arrangierten Ehe hat die Zwangsehe keine kulturelle Tradition. Vor allem in patriarchal geprägten Ländern ist es Brauch, dass der enge Familienkreis für eine junge Frau den geeigneten Ehemann sucht. Der feine definitorische Unterschied: Bei einer arrangierten Hochzeit sind Braut und Bräutigam mit der Eheschließung einverstanden. Praktisch birgt das aber ein Problem: Frauen, die in einem strengen Patriarchat aufwachsen, können oder dürfen oft nicht Nein sagen. Daher kann aus einer arrangierten Hochzeit schnell eine Zwangshochzeit werden.

Die Dunkelziffer der Zwangsehen liegt vermutlich deutlich höher: Nur in den seltensten Fällen suchen die Opfer Beratungsstellen auf – oder bringen die Tat zur Anzeige. Und das, obwohl schon der Versuch der Zwangsverheiratung seit 2011 unter Strafe steht. Bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug kann den Eltern drohen, die ihre Tochter und Söhne zur Ehe nötigen.

Für eine umfassende Trauma-Therapie reichten die wenigen Wochen nicht aus
Rund 60 Mädchen, die sich dem Willen ihrer Eltern widersetzen, suchen jedes Jahr Zuflucht im „Papatya“-Mädchenhaus. Dort kann sie niemand finden, denn im Gegensatz zum Mädchennotdienst ist die Adresse der Anlaufstelle, die sich aus öffentlichen Geldern und Spenden finanziert, geheim. „Die jungen Frauen wohnen in der Regel sechs bis acht Wochen bei uns“, sagt Christine, die die Mädchen psychologisch unterstützt. Für eine umfassende Trauma-Therapie reichten die wenigen Wochen nicht aus. Jedoch arbeite der Verein eng mit entsprechenden Beratungsstellen zusammen – vor allem, wenn die Mädchen Selbstmord-Gedanken haben. 24 Stunden am Tag stehen die Beraterinnen den Betroffenen zur Verfügung. Sind es Minderjährige, finden sie über das Jugendamt oder den Jugendnotdienst zu „Papatya“.

„Wir müssen dann akzeptieren, dass sie zurück zu ihren Eltern wollen“
Christine sagt: „Sie sind danach alle freiwillig hier. Das heißt, sie können jeder Zeit wieder gehen, wenn sie möchten.“ Ziel sei es zwar, die Betroffenen aus den gewalttätigen Familien in betreute Jugendeinrichtungen zu bekommen, doch viele der Klientinnen plagen Heimweh und Schuldgefühle. Rund ein Drittel der Opfer, um die sich der Berliner Verein kümmert, kehrt deswegen zu ihren Peinigern zurück. Die Psychologin macht die Erfahrung, dass „sich die Mädchen beispielsweise für ihre kleinen Geschwister verantwortlich fühlen, die sie bei den gewalttätigen Eltern gelassen haben“.

„Wir müssen dann akzeptieren, dass sie zurück zu ihren Eltern wollen, auch wenn wir es oft nicht gutheißen“, sagt Christine. Schließlich besteht immer die Möglichkeit, dass die Töchter ins Ausland verschleppt werden – unter dem Vorwand, in der Heimat Urlaub mit der Familie zu machen.

Die Erfolgsgeschichte: Ex-Klientinnen wird erfolgreiche Unternehmerin
Doch es gibt auch Lichtblicke. „Eines der Mädchen, das wir betreut haben, ist jetzt erfolgreiche Unternehmerin“, schildert Christine eine Erfolgsgeschichte. Zu einigen Ex-Klientinnen hätte sie noch heute Kontakt. „Diese Mädchen und Frauen müssen sich nach all dem, was sie erlebt haben, neu erfinden. Manchmal ihre Namen ändern und an fremde Orte ziehen, um Frieden zu finden. Dafür haben sie meinen vollsten Respekt“, so die Betreuerin.

* Der Name wurde von der Redaktion geändert

Hier den Politik-Newsletter abonnieren
Berichte, Videos, Hintergründe: FOCUS Online versorgt Sie täglich mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Politik-Ressort. Hier können Sie den Newsletter ganz einfach und kostenlos abonnieren.

Im Video: Trotz 142 Verdachtsfällen: Warum Bayern bislang keine Kinderehen aufhebt[
https://www.focus.de/politik/deutschland...id_9470569.html
+++
Video

https://www.focus.de/politik/deutschland...id_9345516.html



Beliebteste Blog-Artikel:

Melden Sie sich an, um die Kommentarfunktion zu nutzen
Danke für Ihr Reinschauen und herzliche Grüße...
Xobor Xobor Blogs
Datenschutz