Lieb Kind hat viele Namen
Impuls zum 24. Sonntag im Jahreskreis B -- Kreuzerhöhung, 13.9.2015
Von Msgr. Dr. Peter von Steinitz
Münster, 11. September 2015 (ZENIT.org)
Im Deutschen sagt man “Lieb Kind hat viele Namen”. Beides trifft in besonderer Weise auf Maria zu. Sie ist die Vielgeliebte und hat daher viele Namen. Denken wir, heute am Fest Mariae Namen, nur an die schönen oft poetischen Ausdrücke der Lauretanischen Litanei: Sitz der Weisheit, Elfenbeinerner Turm, Goldenes Haus, Ursache unserer Freude, Königin der Engel usw.
Zu allen Zeiten und in allen Völkern war der Name mehr als nur eine Bezeichnung, er sollte vielmehr das Wesen eines Geschöpfes ausdrücken. So verstehen wir die „Arbeit“ Adams, als Gott ihn aufforderte, allen Tieren einen Namen zu geben. Es ging im Paradies nicht um Bezeichnungen für einen umfassenden Katalog der Tiere, vielmehr sollte der erste Mensch, der ja vor dem Sündenfall sehr innerlich mit Gott verbunden war, in jedem Lebewesen erkennen und benennen, was Gott bei der Erschaffung dieses Lebewesens gemeint hat.
Im Evangelium dieses 24. Sonntags im Jahreskreis fragt Jesus seine Jünger, welchen Namen die Menschen ihm geben, „für wen halten die Menschen den Menschensohn?“ Die Jünger geben das wieder, was sie von den Leuten so hören. Wie immer, nichts Genaues. „Einige halten dich für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für sonst einen der Propheten“ (Mk 8,28).
Der Herr weiß natürlich, dass die Menschen sehr unklare Vorstellungen haben, daher fragt er nach: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8,29). Es liegt ihm daran, dass seine Freunde nicht nur seinen Namen kennen, Jesus von Nazareth, sondern dass sie erkennen, was sich hinter diesem Namen verbirgt, wer ist dieser Jesus? Da ergreift Petrus, der Führende unter den Aposteln, das Wort und sagt den Namen, der Jesus seit Jahrhunderten bei den Propheten gegeben wurde, der „Messias“. Es mag überraschen, aber diese Aussage war tatsächlich kühn, denn Jesus hatte es, auch gegenüber seinen Freunden, immer im Unklaren gelassen, ob er wirklich der Messias, der lange Verheißene, war. Er hat es nie so explizit gesagt, nur einmal im Gespräch mit der Samariterin, also einer Fremden.
Im Anschluss an dieses Gespräch über Namen – auch der Name Jesus selbst ist sprechend, er bedeutet Retter, Erlöser – eröffnet der Herr ihnen, dass er „vieles erleiden“, von der jüdischen Autorität verworfen und verurteilt und schließlich dem Tod ausgeliefert werden würde. Und „er redete ganz offen darüber“, aber auch dass er am dritten Tag wieder auferstehen würde.
Dann aber passiert es dem guten Petrus, dass er fälschlicherweise meint, er müsse den Meister vor diesem Ungemach schützen, und sich dabei einen scharfen Verweis des Herrn einhandelt:
„Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen!“ (Mk 8,32) Auch uns, ja gerade uns Heutigen, erscheint diese Reaktion des Herrn allzu brüsk. Petrus hatte es doch nur gut gemeint!
Auch wir sind gar zu sehr dazu geneigt, die Dinge nur menschlich zu sehen. Und rein menschlich gesehen, ist das Leiden und der Tod Christi sinnlos und zu vermeiden. Aber es ist das, was „Gott will“.
Im Altertum, auch bei den Heiden, gab es vielfache Vorbilder auf den Erlöser hin. Nicht nur die jüdischen Propheten, sondern auch heidnische Seher wie z.B. die Sibyllen, hatten über den kommenden Retter vorausgesagt. Was aber die mehr im Diesseitigen befangenen Griechen und Römer nicht erkennen konnten, war die Tatsache, dass die Erlösung nicht durch eine große Heldentat, sondern durch ein großes Leiden verwirklicht werden sollte.
Die orthodoxe Welt nimmt in weit stärkerem Maße als wir die „guten Heiden“ mit ins Boot. Namen der heidnischen Philosophen wie Plato sind auch heute bei orthodoxen Christen gebräuchlich. So erklärt sich auch, dass sie eine Gestalt wie den Helden Herakles als Vorläufer oder Typos des Erlösers ansehen.
Wieso das? Herakles (oder Herkules) hat vielfach den Bedrängten geholfen und viele Menschen gerettet. Aber immer durch eine große Tat. Auch die Geschichte von der Reinigung des Augias-Stalles hat eine zutreffende Vorbedeutung. Der König Augias besaß einige Pferde, göttliche Pferde, auf die er sehr stolz war. Was aber nicht verhinderte, dass diese Tiere regelmäßig etwas unter sich ließen. Der im Laufe der Zeit angehäufte Mist (ganz klar ein Symbol für die Sünde) war nicht mehr weg zu bekommen. Und nur Herakles gelang dies, indem er einen Fluss durch den Stall lenkte. Erlösung durch Kraft und Intelligenz.
Jesus dagegen hat die Menschen durch ein unvergleichliches Leiden, durch sein Kreuz, von ihren Sünden befreit. Indem er scheinbar scheiterte, hat er den Urheber des Bösen, Satan, besiegt. Den Teufel, der es sogar schafft, manchmal die Auserwählten irre zu führen. Gründe genug, um das Heilige Kreuz noch einmal – außerhalb der Traurigkeit der Karwoche – mit Freude zu feiern. Am Montag begeht die Kirche das Fest Kreuzerhöhung.
In seinem kürzlich erschienen Buch „Dieu ou rien“ Gott oder nichts, sagt Kardinal Sarah: „Die geistliche Freude steht im Zusammenhang mit dem Kreuz. Wenn wir beginnen, uns selbst um der Liebe Gottes willen zu vergessen, werden wir Ihn – zumindest auf schemenhafte Weise – finden. Und da Gott unsere Freude ist, hängt ihre Größe von unserer Selbstverleugnung und unserer Vereinigung mit Ihm ab“. (S. 287 Fe-Medienverlag)
Seien wir dem Herrn dankbar! Danken wir auch Unserer Lieben Frau, die von Anfang bis zum Ende das bittere Leiden mitgetragen hat. (Das Fest am kommenden Dienstag). Denn auch das ist einer ihrer Namen: „Mater dolorosa“, schmerzensreiche Mutter. Sie ist die Mutter des Erlösers und der Erlösten!
Ihre Fürbittmacht ist daher groß.
Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo - Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.
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