11. Februar 2016 Caritas-Experte warnt vor "gigantischem Flüchtlingsstrom" Zukunft der Europäischen Union nur gesichert, wenn Hilfspakete im Ausmaß der griechischen Bankenrettung in Nahost-Konfliktregion gehen
Vor einem weiteren "gigantischen Flüchtlingsstrom" aus dem Nahen Osten nach Europa hat der Caritas-Nahostexperte Stefan Maier gewarnt. Beim Syrien-Krieg handle sich um das größte Flüchtlingsdrama der modernen Geschichte. Niemals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs seien aus einem Land so viele Menschen vertrieben worden wie jetzt aus Syrien. Besonders dramatisch sei die Situation im Nachbarland Libanon. Gegen diese Entwicklung helfe keine europäische Abschottungspolitik sondern schlicht massive Hilfe vor Ort für die Flüchtlingen und ein Ende des Konflikts. Maier äußerte sich in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der deutschen "Tagespost".
Wenn Menschen so verzweifelt sind wie die Syrien-Flüchtlinge, würden sie immer irgendwelche Routen und Wege finden. Die Staatengemeinschaft müsse endlich erkennen, dass der Konflikt beendet werden muss. Maier: "Erst als die Flüchtlinge zu uns kamen, sind alle nervös geworden. Aber schon zuvor hat jahrelang der Krieg getobt, mit hunderten Toten täglich." Die internationale Hilfe vor Ort müsse verstärkt werden, "damit die Menschen sich nicht unter Lebensgefahr auf den Weg nach Europa machen müssen". Und bei dieser internationalen Hilfe dürfe es nicht bloß um einige Millionen Euro gehen. Es brauche Hilfsmaßnahmen im Umfang der griechischen Bankenrettung, so Maier: "Damals wurden auch Milliarden in die Hand genommen. Da ging es um Banken, jetzt geht es um Menschenleben und um die Zukunft der Europäischen Union."
Maier ist vor allem im Libanon tätig. Das Land habe gemessen an der Einwohnerzahl weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Der Libanon sei etwas kleiner als das Bundesland Tirol, habe dafür aber schon 4,5 Millionen Einwohnern. Dazu kämen eineinhalb bis zwei Millionen Syrer im Land und 400.000 palästinensische Flüchtlinge, die zum Teil seit Jahrzehnten hier sind und nie wirklich integriert wurden. Weiters gebe es im Land tausende irakische, somalische und sudanesische Flüchtlinge, sowie 200.000 bis 300.000 afrikanische und asiatische Gastarbeiter. Maier: "Das ist eine unvorstellbare Belastung für dieses kleine Land."
INSTABILE LAGE IM LIBANON
Die anfänglich großherzige Aufnahme der Flüchtlinge durch die Libanesen sei aufgrund der enormen Belastungen in Aversionen umgeschlagen. Die Regierung sei nicht in der Lage, viel zu tun. Die Strukturen seien völlig überfordert, auch die Müllabfuhr, die Kanalisation oder die Stromversorgung. Es gebe durchschnittlich noch 14 Stunden Strom am Tag.
Betroffen sei auch der Arbeitsmarkt: "Offiziell dürfen Syrer nicht arbeiten, tatsächlich aber arbeiten sie für jede Summe, weil sie das Geld einfach zum Überleben brauchen. Das alles ist sozialer Sprengstoff", erläuterte Maier. Darum gehe bei allen Hilfsaktionen der Caritas zugunsten syrischer Flüchtlinge mittlerweile ein fester Prozentsatz an bedürftige Einheimische, um zu verhindern, dass diese Spannungen sich noch verschärfen.
Maier: "Heute geht es um die fundamentalen Ressourcen, um Trinkwasser, medizinische Versorgung, Schulbildung. Zwei Drittel der syrischen Kinder gehen nicht zur Schule, viele von ihnen seit Jahren. Hier wächst eine verlorene Generation heran, der alle Zukunftschancen genommen werden."
Nachdem im vergangenen Jahr die internationale Hilfe massiv zurückgefahren worden war, habe eine erste Flüchtlingswelle nach Europa eingesetzt. Maier: "Vor zwei, drei Jahren dachte noch niemand an Europa. Man siedelte nahe der Grenze, um nach Kriegsende schnell in die Heimat zurückkehren zu können." Mittlerweile hätten die Menschen aber die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende und eine Heimkehr verloren. Wer Erspartes mitgebrachte, habe es längst aufgebraucht. "Und jetzt, wo die Not am größten ist, geht die internationale Hilfe zurück. Deshalb riskieren viele ihr Leben, um nach Europa zu gelangen, statt im Libanon vor die Hunde zu gehen", so Maier.
Der Krieg in Syrien drohe zudem auf den Libanon überzugreifen. Etwa die Hälfte der Libanesen unterstütze das syrische Regime, die andere Hälfte sei strikt dagegen. Immer wieder komme es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des syrischen Regimes. Die politische Situation sei sehr fragil und gespannt. Maier: "Der größte anzunehmende Schaden für Europa wäre ein Wiederaufflammen des Bürgerkrieges im Libanon. Wenn der Libanon kippen sollte, würde ein gigantischer Flüchtlingsstrom Europa erreichen." http://www.katholisch.at/aktuelles/2016/...m?ts=1455377532 http://www.katholisch.at/site/home/tipp/...l?ts=1455377732 Quelle: kathpress
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