HomeForumAbbé Claude Barthe: „Amoris Laetitia“ schlägt „Bresche in bisherige Morallehre“ Abbé Claude Barthe: „Amoris Laetitia“ schlägt „Bresche in bisherige Morallehre“...11.4,16.
Rom) Der traditionsverbundene Priester Abbé Claude Barthe veröffentlichte bei L’Homme Nouveau eine erste Stellungnahme zum nachsynodalen Schreiben Amoris Laetitia von Papst Franziskus über Ehe und Familie. Der Liturgiker Barthe lehrt am Internationalen Priesterseminar St. Philipp Neri des Instituts Christus König und Hoherpriester in Gricigliano in der Toskana.
Der Instinkt des Glaubens
http://www.katholisches.info/2016/04/11/...ige-morallehre/
Zwei aufeinanderfolgende Sitzungsperioden der Bischofssynode zum Thema Familie, die man treffend als „Mediensynode“ bezeichnen könnte, haben ihre Aufmerksamkeit auf die Zulassung – in bestimmten Fällen – zu den Sakramenten der Buße und der Eucharistie von Personen, die im öffentlichen Ehebruch leben. In einem Artikel für L’Homme Nouveau vom 14. März 2015, „Der Instinkt des Glaubens und die Krise der Ehelehre“, haben wir vor der Möglichkeit gewarnt, daß zweideutige Paragraphen der Schlußberichte der beiden Sitzungsperioden im folgenden nachsynodalen Schreiben aufgegriffen werden könnten. Nun sind wird soweit.
Viele kompetente Beobachter machen sich daran, das Schreiben mit dem Titel Amoris Laetitia, das als Datum den 19. März trägt, zu analysieren. Sie werden die sehr schönen Stellen über die christliche Familie hervorheben, angemessene Überlegungen zu selten von päpstlichen Dokumenten behandelten Gesichtspunkten (die alten Eltern, die konkreten Schwierigkeiten bei der Erziehung, usw.). Sie werden die Tatsache schätzen, daß der Text direkt die realen Situationen der Familie in der Welt von heute anspricht.
Sie werden aber auch feststellen, daß das Schreiben von Anfang einerseits eine Reihe von bereits durch das kirchliche Lehramt definierte doktrinelle Probleme behandelt, aber gleichzeitig erklärt, daß dennoch die freie Diskussion über die Anwendung in einigen Fällen legitim ist:
L‘Homme Nouveau „Indem ich daran erinnere, daß die Zeit mehr wert ist als der Raum, möchte ich erneut darauf hinweisen, daß nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen. Selbstverständlich ist in der Kirche eine Einheit der Lehre und der Praxis notwendig; das ist aber kein Hindernis dafür, daß verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlußfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen“ (Amoris Laetitia, 3). Das läßt andererseits eine große Freiheit, über das Schreiben zu diskutieren, das sich aufgrund dieser Prämisse selbst außerhalb der „lehramtlichen Äußerungen“ ansiedelt.
Im Sinne der genannten Prämisse öffnet das achte Kapitel („Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden und eingliedern“), besonders die Paragraphen 296–312, eine Bresche in der bisherigen Morallehre:
„Die Geschiedenen in einer neuen Verbindung, zum Beispiel, können sich in sehr unterschiedlichen Situationen befinden, die nicht katalogisiert oder in allzu starre Aussagen eingeschlossen werden dürfen, ohne einer angemessenen persönlichen und pastoralen Unterscheidung Raum zu geben“ (Amoris Laetitia, 298).
„Ich nehme die Bedenken vieler Synodenväter auf, die darauf hinweisen wollten, daß »Getaufte, die geschieden und zivil wiederverheiratet sind, […] auf die verschiedenen möglichen Weisen stärker in die Gemeinschaft integriert werden [müssen], wobei zu vermeiden ist, jedwelchen Anstoß zu erregen“ (Amoris Laetitia, 299).
„Es ist nur möglich, eine neue Ermutigung auszudrücken zu einer verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle. […] Das Gespräch mit dem Priester im Forum internum trägt zur Bildung einer rechten Beurteilung dessen bei, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche behindert, und kann helfen, Wege zu finden, diese zu begünstigen und wachsen zu lassen“ (Amoris Laetitia, 300). Nebenbei wird die Möglichkeit für Paare in einer irregulären Situation „wie Bruder und Schwester“ zu leben, durch die Fußnote 329 durch einen unangemessenen Verweis auf Paragraph 51 der Pastoralkonstitution Gaudium et spes in Frage gestellt, der das intime eheliche Leben einer legitimen Familie behandelt, wo Abstinenz schwierig ist.1
Die so sehr erwartete Schlußfolgerung wird indirekt mit etwas verlegenen Begriffen in der Fußnote 336 gezogen2 : eine Norm [man denke an jene, die wiederverheiratete Geschiedenen vom Kommunionempfang ausschließt] kann in bestimmten Fällen abgemildert werden „was die sakramentale Disziplin betrifft“.3
Wir wollen uns in dieser ersten Stellungnahme darauf beschränken, die Frage der Anrechenbarkeit [der Tat und die Verantwortung für sie] aufzuwerfen.
„Daher ist es nicht mehr möglich zu behaupten, daß alle, die in irgendeiner sogenannten »irregulären« Situation leben, sich in einem Zustand der Todsünde befinden und die heiligmachende Gnade verloren haben“, heißt es im Paragraph 301 von Amoris Laetitia.
Im Kontext dieser Überzeugungen halte ich für sehr angemessen, was viele Synodenväter festhalten wollten: »Unter bestimmten Umständen kann es für Menschen eine große Schwierigkeit darstellen, anders zu handeln […] Die pastorale Bemühung, die Geister zu unterscheiden, muss sich, auch unter Berücksichtigung des recht geformten Gewissens der Menschen, dieser Situationen annehmen. Auch die Folgen der vorgenommenen Handlungen sind nicht in allen Fällen notwendigerweise dieselben«.“ (Relatio finalis 2015, 85).
Der Text beruft sich nicht auf die traditionelle Formel „im guten Glauben“ – dessen Richter Gott ist – und der tatsächlich in bestimmten Fällen eine Sünde entschuldigen kann. Der Text setzt vielmehr im Gegenteil ein Subjekt voraus, „das die Normen gut kennt“. Jedenfalls, und das ganz konkret, verwandelt sich die subjektive Nicht-Anrechenbarkeit in eine objektive Nicht-Anrechenbarkeit, die es erlauben wird, die Sakramente zu empfangen, obwohl man in einem objektiven Zustand der Sünde verbleibt. Das alles ermutigt eine in vielen Orten bereits konsolidierte liberale Praxis.
Da ist aber noch das priesterliche Gewissen, des Seelenhirten, der sich für seine Ratschläge, die er geben wird, vor Gott verantworten muß. Der Priester, ob Beichtvater oder nicht, der diese Personen begleitet, wird sich in folgender Situation wiederfinden: Personen, die im Zustand des öffentlichen Ehebruchs leben, werden geltend machen, daß sie nicht auf Handlungen verzichten können, die der rechtmäßigen Ehe vorbehalten sind, und vom Priester erwarten, daß er sie – höchstens – dafür verantwortlich hält, eine läßliche Sünde begangen zu haben. Selbst wenn man annehmen wollte, daß sie sich im Grenzbereich befinden und die Gewissensüberzeug hätten, daß „die frühere, unheilbar zerstörte Ehe niemals gültig war“ (Amoris laetitia, 298 mit Verweis auf Familiaris consortio, 22, das in diesem Fall allerdings ein Leben in der zweiten Verbindung als Bruder und Schwester verlangt), gäbe es – jedenfalls in diesem Moment – noch keine neue sakramentale Ehe. Sie befinden sich daher in derselben Situation wie alle anderen nicht verheirateten Personen: der Geschlechtsverkehr ist ihnen durch das göttliche Gebot verboten. Die natürliche und christliche Moral spricht von Unzucht. Jetzt aber könnte der Priester erklären, daß es sich in bestimmten Fällen – höchstens – um läßliche Sünden handelt. Die Umkehrung der Vorzeichen ist bemerkenswert.
Es versteht sich von selbst, daß hier keine Handlung des unfehlbaren Lehramts vorliegt, dem man Folge zu leisten hat. Es ist daher erlaubt, festzustellen, daß die Lehre der Kirche hier nicht klar zum Ausdruck kommt. Deshalb ist an dieser Stelle der sensus fidei/fidelium zu aktivieren. Dieser meldete sich bereits im Vorfeld durch die Aktion führender Oberhirten zu Wort, darunter rund 30 Kardinäle, die ihren Widerstand gegen eine Änderung der Moral bekundeten, und die Jean-Marie Guénois in seinem heutigen [8. April 2016] Artikel im Le Figaro erwähnte. Gleiches gilt für die Autoren mehrerer Sammelbände4
In unserem Artikel vom 10. März 2015 steht, daß diese Aktivierung des Glaubensinstinktes sich nicht nur einer Art widersetzt, sich des päpstlichen Lehramtes zu entkleiden, sondern auch die Grundlage für die Wiederherstellung des Lehramtes bildet. Heute leistet der Einsatz des sensus fidei/fidelium einen ganz konkreten Beitrag, um an das unfehlbare Lehramt in Sachen Moral zu appellieren, um dessen Unfehlbarkeit zu betonen, aber auch um dessen Handeln einzufordern, damit es heilsam für die Seele wirkt. In den kommenden Jahren steht ein kapitaler institutioneller Bereich für die Kirche auf dem Spiel.
Übersetzung: Giuseppe Nardi Bild: Vatican.va/L‘Homme Nouveau (Screenshots)
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