Überraschungsbesuch von Venezuelas Präsident Maduro bei Franziskus – Papst empfängt „Unterdrücker statt Unterdrückte“ 25. Oktober 2016
Venezuelas "bolivarischer" Staatspräsident Nicolas Maduro bei der ersten Audienz bei Papst-Franziskus im Jahr 2013. Maduro schenkte dem papst ein Bild des venezolanischen Staatsgründers Simon Bolivar.
(Rom) Gestern abend wurde der „bolivarische“ Staatspräsident von Venezuela überraschend von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Die venezolanische Opposition wirft dem Papst vor, den „Unterdrücker statt die Unterdrückten“ empfangen zu haben.
Nicolas Maduro übernahm 2013 das Präsidentenamt nach dem Tod von seinem Vorgänger und Parteigenossen Hugo Chavez. Maduro und Chavez entstammen der laut Eigendefinition „antiimperialistischen, antkapitalistischen, internationalistischen, chavistischen, sozialistischen“ Bolivarischen Revolutionsbewegung. 2007 gründeten sie die Sozialistische Einheitspartei Venezuelas (PSUV), deren Vorsitzender Maduro heute ist.
In den vergangenen Tagen bereiste Venezuelas Staatsoberhaupt mehrere Staaten. Er besuchte Aserbaidschan, den Iran und Saudi-Arabien, wo er in Riad von König Salman ibn Abd al-Aziz empfangen wurde. Venezuela besitzt die größten Erdöllager der Welt und dennoch lebt die Bevölkerung in bitterer Armut.
Maduros Eltern, der venezolanische Vater war Jude, die kolumbianische Mutter Katholikin, waren bereits in der venezolanischen Linksbewegung aktiv. Nicolas Maduro wurde katholisch getauft und erzogen. Eine Zeitlang sei Maduro Anhänger des 2011 verstorbenen indischen Gurus Sathya Sai Baba gewesen. Er selbst bezeichnet sich als Christ.
Das vatikanische Presseamt veröffentlichte gestern abend folgende Erklärung:
„Die Begegnung fand vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Situation der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise statt, die das Land durchmacht und die sich stark auf das tägliche Leben der gesamten Bevölkerung auswirkt. Auf diese Weise wünschte der Papst, dem das Wohl aller Venezolaner am Herzen liegt, weiterhin seinen Beitrag zugunsten der Institutionalität des Landes und jedes Schrittes anzubieten, der dazu beiträgt, die offenen Fragen zu lösen und ein größeres Vertrauen zwischen den verschiedenen Seiten zu schaffen.
Er hat dazu eingeladen, mit Mut den Weg des ehrlichen und konstruktiven Dialogs zu beschreiten, um die Leiden der Menschen, vor allem der Armen, zu lindern und ein Klima eines erneuerten sozialen Zusammenhalts zu fördern, das es erlaubt, mit Hoffnung auf die Zukunft der Nation zu blicken.“
Maduro und die vatikanische „Desinformation“
In Venezuela behaupteten Regimekritiker zuvor, Maduro versuche so lange als möglich im Ausland zu bleiben, um sich nicht den dramatischen Problemen im Land und der Opposition stellen zu müssen.
Maduro wurde vor seinem überraschenden Zwischenstopp in Rom vom saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz empfangen. Papst Franziskus hatte am vergangenen Samstag, als Maduro sich bereits auf Auslandsreise befand, den Apostolischen Nuntius für Argentinien, Msgr. Emil Paul Tscherrig, nach Venezuela geschickt, um zwischen Regierung und Opposition zu vermitteln. Die Opposition bezeichnet die Regierung lieber als „Diktatur“.
Kritik wird auch am Vatikan laut. Dem ehemaligen Allende-Minister Luis Badilla, der den halboffiziösen vatikanischen Pressedienst Il Sismografo leitet, werden ideologische Sympathien für die lateinamerikanischen Linksbewegungen und Linksregierungen nachgesagt. Badilla bezeichnete den Maduro-Besuch als „mutige Geste“, um „Papst Franziskus zu treffen und über das Drama seines Landes zu sprechen“.
„Quasi inkognito“, so Badilla, sei Maduro gestern nachmittag in Santa Marta eingetroffen, wo „er sich lange aufhielt, um mit dem Heiligen Vater und einigen von dessen engsten Mitarbeiter über die dramatische Situation in seinem Land zu sprechen“. Das Land stehe am „Rand des Abgrunds“, so Badilla. Es dürfe „weder Sieger noch Besiegte“ geben, so der ehemalige Allende-Mitstreiter.
Übersetzt heiße das, so Kreise, die dem maduro-kritischen Erzbischof von Caracas nahestehen, daß Papst Franziskus den absehbaren Sturz der „bolivarischen“ Machthaber verhindern wolle. In Venezuela geht derzeit die Angst um, die „Bolivaristen“ könnten das inzwischen unvermeidlich scheinende Ende ihrer Herrschaft nicht gewaltlos akzeptieren.
Badilla habe es jedenfalls geschafft, die Ereignisse durch „Desinformation“ so zu verdrehen, daß der päpstliche Empfang für den „Unterdrücker“ als „mutiger Schritt“ erscheine. Tatsache sei vielmehr, daß von Franziskus bereits zweimal die „Unterdrücker, aber noch nie die „Unterdrückten“ in Audienz empfangen wurden.
Am 9. Oktober hatte Papst Franziskus die Ernennung eines zweiten Venezolaners zum Kardinal bekanntgegeben. Am kommenden 19. November wird Baltazar Enrique Porras Cardozo, der Erzbischof von Mérida, vom Papst zum Kardinal erhoben. Beobachter sehen auch darin einen päpstlichen Versuch, die „bolivarische“ Volksfront zu unterstützen. Der bisher einzige Kardinal des Landes, Jorge Liberato Kardinal Urosa Savino, Erzbischof von Caracas und Primas von Venezuela, ist für seine kritische Haltung gegenüber dem sozialistischen Regime bekannt.
Kardinal Urosa Savino hatte sich bei der Bischofssynode 2015 gegen die päpstlichen Pläne einer Aufweichung des Ehesakraments gestellt. Die Kardinalskreierung von Erzbischof Porras Cardozo diene der Neutralisierung von Kardinal Urosa Savino, während die Regierung einen ranghohen katholischen Ansprechpartner erhalten soll. Kritiker sprechen davon, daß Papst Franziskus zur Stützung der Sozialistischen Einheitspartei PSUV sogar die Spaltung der venezolanischen Kirche billigend in Kauf zu nehmen scheine. http://www.katholisches.info/2016/10/25/...-unterdrueckte/ Text: Giuseppe Nardi Bild: vatican.va/SPA (Screenshots)
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