Sicherheitspolitik
Wir stehen an der Schwelle eines dritten nuklearen Zeitalters
Die Hoffnungen, dass das Ende des Ost-West-Konflikts die Bedrohung durch Nuklearwaffen senkt, haben sich nicht erfüllt. Die Bedeutung des nuklearen Faktors in der internationalen Sicherheit wächst wieder.
Wir leben immer noch im zweiten Atomzeitalter. Das erste Atomzeitalter war durch das bipolare nukleare Abschreckungsverhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion geprägt. Das nach dem Ende des Ost-West-Konflikts einsetzende zweite Nuklearzeitalter ist dagegen weitaus komplexer. So ist die nukleare Abschreckung aufgrund der Verbreitung von Kernwaffen an mehrere höchst unterschiedliche Akteure noch schwieriger geworden. Der Schwerpunkt der nuklearen Rivalität hat sich zudem nach Asien verschoben, wo sich alte politische Spannungen und neue nukleare Ambitionen zu einer gefährlichen Lage verdichten. (…)
Allerdings mehren sich die Zeichen, dass bald ein drittes Atomzeitalter beginnen könnte. Denn zahlreiche Ereignisse der jüngeren Zeit zeigen, dass sich die gerade im Westen von vielen Beobachtern gehegten Erwartungen an eine stete Verringerung der Rolle nuklearer Waffen in der internationalen Politik als falsch erwiesen haben.
Die Bedeutung des nuklearen Faktors in der internationalen Sicherheit wächst. Die Belege hierfür sind zahlreich: Russlands offensive nukleare Rhetorik, Nordkoreas Bemühungen um den Bau einer Interkontinentalrakete, die Nervosität der asiatischen Verbündeten der USA hinsichtlich der nuklearen Schutzversprechen Washingtons, die nukleare Rivalität zwischen Indien und Pakistan, das in den USA noch immer umstrittene Atomabkommen mit dem Iran, aber auch das in den Vereinten Nationen erarbeitete internationale Kernwaffenverbot. Alle diese Entwicklungen zeigen, dass sich die nukleare Ordnung erneut im Umbruch befindet.
Eine neue nukleare Ordnung
Im Folgenden werden sechs Entwicklungen aufgezeigt, die zu so weitreichenden strukturellen Veränderungen der globalen nuklearen Ordnung führen könnten, dass man mit Recht von einem dritten Atomzeitalter sprechen kann. Einige dieser Entwicklungen sind lediglich die Konsequenz von Entwicklungen, die bereits im Gange sind; bei anderen wiederum handelt es sich um „Wildcards“, d.h. um Ereignisse, die die nukleare Ordnung buchstäblich über Nacht tiefgreifend verändern könnten.
1. Der Einsatz einer Nuklearwaffe.
Es ist in der internationalen Strategiedebatte nach wie vor strittig, ob die mehr als sieben Jahrzehnte, in denen keine Nuklearwaffe zum Einsatz kam, ein „Nukleares Tabu“ begründet haben. Außer Frage steht aber, dass die Detonation einer einzigen Atomwaffe – selbst wenn sie nur als politisches Signal gedacht wäre und keine großen Opfer verursachen würde – ein „game changer“ von enormer Bedeutung wäre.
Ein solcher Vorfall würde für manche die Überzeugung verstärken, dass die nukleare Abschreckung für die Gewährleistung von Sicherheit in einer nuklearisierten Welt nun erst recht unverzichtbar bleibt. Nuklearkritiker würden einen solchen Vorfall dagegen als endgültigen Beweis für ihre Auffassung sehen, dass Atomwaffen als Mittel zur Friedenssicherung untauglich sind. (…).
http://www.focus.de/wissen/videos/atombombe-explodiert-was-mit-einer-stadt-passiert_id_7843064.html
Video-Simulation: Das passiert, wenn eine Atombombe über Ihrer Heimatstadt explodiert Das passiert, wenn eine Atombombe über Ihrer Heimatstadt explodiert FOCUS Online Das passiert, wenn eine Atombombe über Ihrer Heimatstadt explodiert 2. Ein schwerer Unfall in der nuklearen militärischen Infrastruktur eines Nuklearwaffenstaates. Ein solcher Unfall, gleichgültig, ob durch Sabotage oder unzureichend geschultes Personal, würde die öffentliche Wahrnehmung des Nutzens nuklearer Waffen dramatisch verändern. Überwog bislang die Auffassung, dass der sicherheitspolitische Nutzen nuklearer Abschreckung ihre Risiken aufwiegt, so könnte ein Unfall große Teile der Öffentlichkeit zu der Überzeugung gelangen lassen, dass der Besitz von Nuklearwaffen in erster Linie ein Sicherheitsrisiko +++ Grundsätze einer neuen Debatte zur nuklearen Frage
Auch die oben beschriebenen Entwicklungen müssen nicht zwangsläufig zu einer umfassenden öffentlichen Debatte führen. Sie zeigen aber, dass die politische Klasse der Bundesrepublik zu nuklearen Fragen wieder grundsätzlich sprechfähig werden muss. Dabei sollte man sich an vier Grundsätzen orientieren:
1. Ein klares Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung.
Die Rückkehr des russischen Militarismus, die wachsende nukleare Bedrohung durch Nordkorea und steigende Militärausgaben in Asien haben das strategische Umfeld nachhaltig verändert. Entsprechend hat die Nato in ihren Grundsatzdokumenten die Bedeutung der nuklearen Abschreckung wieder in Erinnerung gerufen.
Die neue amerikanische „Nuclear Posture Review“ wird sich in ähnlicher Weise zur nuklearen Abschreckung als Grundpfeiler amerikanischer Sicherheits- und Bündnispolitik bekennen. Die Verringerung der Bedeutung von Atomwaffen in der westlichen Sicherheitspolitik bleibt ein erstrebenswertes Ziel, doch am Bekenntnis zur Nato als einer „nuklearen Allianz“ – die auch ein Bekenntnis zur Aufrechterhaltung einer sicheren militärischen Infrastruktur einschließt – führt kein Weg vorbei. (….)
2. Eine Bekräftigung des Vorrangs der transatlantischen nuklearen Architektur.
Einige Äußerungen Donald Trumps während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes hatten in Europa Befürchtungen geweckt, die USA könnten sich ihrer Schutzverpflichtungen gegenüber ihren Verbündeten entledigen. In einem solchen Fall, so war auch in Deutschland zu hören, brauche der Kontinent eine eigene Abschreckungsstreitmacht. Doch weder existiert in Europa ein nuklearer Konsens, noch lassen sich die britischen und französischen Nuklearstreitkräfte europäisch vereinnahmen. (…)
Eine glaubwürdige „erweiterte Abschreckung“, die auch den nuklearen Schutz der Bündnispartner einschließt, bieten gegenwärtig und auf absehbare Zeit nur die USA und die einschlägigen Arrangements im Rahmen der Nato. Nur die USA haben den politischen Willen, die finanziellen Mittel und die militärischen Fähigkeiten, um ihre internationale Ordnungsrolle durch glaubwürdige nukleare Schutzversprechen zu untermauern. Würden die USA diese Politik aufgeben, könnte dies die größte Nuklearisierungswelle seit dem Beginn des Kernwaffenzeitalters auslösen.
Die im Wahlkampf gefallenen Äußerungen werden deshalb nicht zur Leitlinie einer neuen amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik werden. Dagegen spricht auch die harte Linie der Trump-Administration gegenüber den nuklearen Ambitionen des Iran. Die Frage, wie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU langfristig mit ihrer nuklearen Dimension umgehen will, ist damit zwar nicht aus der Welt, doch der europäische Integrationsprozess ist noch lange nicht so weit gediehen, dass man ihm eine kontroverse Debatte über seine künftige nukleare Dimension aufbürden könnte.
3. Ein Festhalten an der nuklearen Teilhabe.
Neben den strategischen nuklearen Fähigkeiten der drei in der Allianz vertretenen Kernwaffenstaaten werden substrategische Nuklearwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe auch weiterhin einen Teil des nuklearen Dispositivs der Nato darstellen (…). Da die Nato sowohl unilateral wie auch in der Nato-Russland-Grundakte von 1997 erklärt hat, keine Nuklearwaffen auf dem Territorium der neuen Bündnismitglieder zu stationieren, stehen die „alten“ Verbündeten wie die Bundesrepublik in einer besonderen Verantwortung für die Aufrechterhaltung der nuklearen Teilhabe und damit indirekt auch für den nuklearen Schutz ihrer östlichen Verbündeten. Die politische und militärische Führung sollte folglich allen Versuchen, das Konzept der nuklearen Teilhabe bzw. die für ihre Aufrechterhaltung erforderliche Modernisierung der Trägersysteme als militärischen Anachronismus und Abrüstungshindernis zu zerreden, entschieden entgegentreten.
4. Ein eindeutiges Bekenntnis zur nuklearen Nichtverbreitung.
Gemeinsam mit den anderen Nato-Verbündeten hat sich die Bundesrepublik unter Hinweis auf die Bedeutung nuklearer Abschreckung sowie auf die für den NPT schädlichen Konsequenzen deutlich gegen einen Atomwaffen-Verbotsvertrag ausgesprochen. Der Bezugsrahmen für die nukleare Nichtverbreitung bleibt aus deutscher Sicht der NPT und dessen graduelle Weiterentwicklung.
Damit hat sich Deutschland zugleich gegen eine Debatte gewandt, in der der NPT immer häufiger als bloßes Provisorium auf dem Weg zur umfassenden Abrüstung interpretiert wird. Da der Verbotsvertrag jedoch schon bald eine politisch-moralische Realität werden wird, muss sich die deutsche Politik auf einen schwierigen Spagat einstellen: Die politische und militärische Führung muss nicht nur in der Lage sein, sich zu den Themen Nichtverbreitung und Abrüstung zu äußern. Sie muss auch die nukleare Abschreckung als vorläufig unersetzbares sicherheitspolitisches Instrument argumentativ verteidigen, ohne dabei zugleich die Risiken zu ignorieren, die dem Konzept innewohnen. (…)
Der Text ist eine gekürzte Version eines Beitrags in der Reihe "Analysen und Argumente" der Konrad-Adenauer-Stiftung. Den komplette Text können Sie hier lesen. Der Text gibt die persönliche Meinung der Autoren wieder. http://www.focus.de/politik/experten/sic...id_7808847.html +++ Zehntausende Tote, ausradierte Gebäude, verseuchtes Land: Eine Atombombe gehört zu den furchtbarsten Waffen der Menschheit. Ihre Auswirkungen macht das Tool "Nukemap" deutlich. Was passiert, wenn eine Atombombe über Berlin explodiert? Berlin, Brandenburger Tor. Wie verheerend würde ein hypothetischer Atombombenanschlag an exakt diesem Ort sein? Eine Frage, die sich mit Hilfe der Website "Nukemap" leicht beantworten lässt. Im Jahr 2013 vom Blogger Alex Wellerstein entworfen, ermöglicht dieses Internet-Tool einen Atombombenabwurf an jedem Ort der Welt mit verschiedenen Bombentypen zu simulieren.
Die Zahlen verdeutlichen dann, welche verheerenden Folgen eine Detonation, zum Beispiel über Berlin, nach sich ziehen würde. Über 3,5 Millionen Todesfälle, fast eine Million Verletzte. Der Feuerball im Kern der Explosion hätte Temperaturen von über einer Million Grad Celsius. Die radioaktive Strahlung würde in einem Radius von sieben Kilometern umgehend vernichtende Auswirkungen haben. Der Druckwelle könnte im Umkreis von 32 Kilometern kaum ein Gebäude standhalten.
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