Der moralische Blankoscheck von Kardinal Marx
Donum Vitae – Mitwirkung am rechtswidrigen Abtreibungssystem 4. Februar 2018 4
Donum vitae:: Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz lobte Donum vitae. Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Kardinal Marx hat kürzlich in einem Schreiben an den ZdK-Präsidenten Sternberg dem Beratungsverband Donum Vitae einen moralischen Blankoscheck ausgestellt, der die ethischen Gründe und moraltheologischen Begründungen für den Ausschluss des umstrittenen Vereins aus der Kirche vergessen machen soll.
Die folgenden Ausführungen machen publik, was der Kardinal verschwiegen haben will
Der Staat hatte mit der Neufassung der Paragraphen 218 / 219 von 1995 zwar Abtreibung als grundsätzlich rechtswidrig erklärt, da mit der vorgeburtlichen Kindstötung das Grundrecht auf Leben (Art. 2,2 GG) missachtet wird. Gleichzeitig aber stellte der Gesetzgeber die Entscheidung über das Leben des Ungeborenen innerhalb einer Frist von drei Monaten der freien Wahl der Schwangeren anheim. Bei einer Entscheidung für die Tötung ihres Kindes wurde der betroffenen Frau Straffreiheit zugesichert. Die Widersprüchlichkeit der (Un-) Rechtskonstruktion von rechtswidrig und straffrei sollte damit kaschiert werden, dass der Fristentötung von ungeborenen Kindern eine ergebnisoffene Pflichtberatung vorgeschaltet wurde.
Bayerischer Rundfunk Doch mit dieser Einrichtung war nur bestätigt worden, was Papst Johannes Paul II. im September 1995 an die deutschen Bischöfe zu dem staatlichen Regelungssystem schrieb: „Das subjektive Bewusstsein der Frau wird dem unabdingbaren Lebensrecht des Kindes übergeordnet.“ Eine Einbindung kirchlicher Stellen in diesen Regelungsprozess einschließlich der staatlichen Finanzierung würde das christliche Zeugnis zum unbedingten Lebensschutz verdunkeln. Denn mit einer entsprechenden Kooperation würde die Kirche der staatlich erzeugten Verwirrung um das menschliche Lebensrecht (rechtswidrig/straffrei) eine ethische Verunsicherung der Gläubigen hinzufügen.
Nach Inkrafttreten der Abtreibungsgesetze 1995 hatte sich auf Betreiben des damaligen DBK-Vorsitzenden, Bischof Karl Lehmann, eine Mehrheit von deutschen Bischöfen für eine Mitwirkung am staatlichen Regelungssystem ausgesprochen. Dieser Ansatz wurde mit zwei Argumentationssträngen gerechtfertigt:
Zum Einen würden die katholischen Dienststellen nicht neutral-ergebnisoffen beraten, sondern sich engagiert für die Annahme des ungeborenen Kindes einsetzen sowie Hilfen für Mutter, Eltern und Kind anbieten.
Zum Zweiten würden durch die kirchliche Beratung Tausende von ungeborenen Kindern jährlich gerettet werden. Wegen dieses angezielten positiven Effekts müsste man den negativen und nichtgewollten Gebrauch der unterschriebenen Beratungsscheine zu Abtreibungen in Kauf nehmen. Auch die „Erosion des Wertebewusstseins“ in Gesellschaft und Kirche durch die kirchliche Kooperation mit dem staatlichen Abtreibungssystem wären abwägend hinzunehmen.
Moraltheologische Zurückweisung fadenscheiniger Begründungen In vier Papstbriefen zwischen 1995 und 1999 sowie zahlreichen Gesprächen mit deutschen Bischöfen wies Rom diese Rechtfertigungen zurück als moraltheologisch unhaltbar und unvereinbar mit der katholischen Lehre:
Vatikan News berichtet Würdigung unkritisch
Auch Vatikan News berichtet unkritisch
▪ Die guten Absichten der einzelnen Beraterinnen und die Ziele der katholischen Beratungsstellen könnten nicht allein gesinnungsethisch und isoliert von der Systemeinbettung in die staatliche Abtreibungsregelung bewertet und gutgeheißen werden. Da das Abtreibungsgesetz das mögliche Ja zum Lebensschutz durch Beratung untrennbar mit dem Nein zum Leben verknüpfe, also mit dem Beratungsschein als Lizenz zur Tötung unschuldiger Menschen, könnten Kirche und Gläubige am Vollzug dieses Gesetzes nicht mitwirken.
▪ Die Argumentation mit den gewollten positiven und ungewollten negativen Effekten einer Handlung läuft auf die moraltheologische Figur der Güterabwägung hinaus. In diesem Fall wurde den abgetriebenen Kindern aufgrund der Ausstellung des staatlichen Beratungsscheins die vermutete Zahl der geretteten Kinder durch kirchliche Konfliktberatung gegenübergestellt. „Eine solche Güterabwägung kann aber da nicht statthaben, wo es um Leben und Sterben eines Menschen geht“, heißt es im vierten Papstbrief an die deutschen Bischöfe vom September 1999. Mit dem Zusatz: „Wir sind nicht Herren über Leben und Tod!“ war auch eine deutliche Kritik an dem deutschen Abtreibungsgesetz ausgesprochen, das der Schwangeren das unmögliche Entscheidungsrecht zum Überleben oder Töten ihres Kindes gibt.
Dieser kirchliche Lehr-Grundsatz, dass auch bei gutem Bemühen und positiven Effekten nicht an einem tödlichen System oder Prozess mitgearbeitet werden darf, zeigt seine volle Überzeugungskraft in der angewendeten Übertragung auf das Lebensende: bei einem staatlichen Euthanasiegesetz, nach dem Ärzten dann Straffreiheit für Suizidbeihilfe zugesichert bekämen, wenn Lebensmüde vorher zu einer ergebnisoffenen Beratung verpflichtet wären. Die Kirche würde und könnte sich nicht an solchen Beratungen beteiligen, weil sie Kooperation zur Euthanasie wären.
Der organisierte Laienkatholizismus stellt sich quer Der päpstlichen Argumentation in der Lehrtradition der Kirche konnten sich die deutschen Bischöfe – außer Bischof Kamphaus – zum Ende des Jahres 1999 nicht mehr verschließen. Sie fassten den Beschluss, bei dem staatlichen Abtreibungssystem nicht mehr zu kollaborieren. Als das absehbar wurde, gründeten führende Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken den Verein Donum Vitae, durch den Schwangerschaftskonfliktberatung mit Staatsfördergeldern um den Preis der Ausstellung des Abtreibungsscheins weitergeführt werden sollte. Da dieser Verein des organisierten Laien-Katholizismus gegen die lehramtliche päpstliche Weisungen für alle Gläubigen gegründet war, manövrierte er sich ins außerkirchliche Abseits. Die DBK untersagte kirchlichen Angestellten die Mitarbeit in der gegenkirchlichen Vereinigung und stellte zugleich fest, dass Donum-vitae-Mitglieder nicht kirchliche Mandatsträger sein könnten.
Gegenposition von Kardinal Woelki
In der Regierungszeit von Papst Benedikt XVI. wagten es kirchliche Stellen nicht, diese Beschlusslage zu unterlaufen. Doch zehn Monate nach dem Papstrücktritt trat ein deutscher kirchlicher Mandatsträger erstmals offen für die Unterstützung von Donum Vitae ein: Der Fuldaer Priester und Professor für Pastoraltheologie und Homiletik, Dr. Richard Hartmann, überreichte im Januar 2014 der Regionalgruppe jenes Verbandes einen Scheck von 3.000 Euro. Er tat das in seiner Eigenschaft als damaliger Präsident des Rotary Clubs Rhön.
Heute – vier Jahre später – soll mit dem schon erwähnten Brief des DBK-Vorsitzenden an den ZdK-Präsidenten Donum Vitae weitgehend rehabilitiert sowie der Abgrenzungsbeschluss aufgehoben werden. Kardinal Marx schreibt darin: „Es besteht kein Zweifel, dass das Ziel von Donum Vitae ebenso wie das der bischöflich verantworteten Schwangerenberatung der Schutz des ungeborenen Menschen ist. Ich stelle fest, dass es über die Jahre hinweg auch vielen Beraterinnen von Donum Vitae gelungen ist, zahlreiche Frauen bzw. Eltern Mut zu machen für ein Leben mit dem Kind, und dafür bestmögliche Hilfestellungen zu bieten. Dafür dürfen wir gemeinsam dankbar sein.“ Darüber hinaus sollen ehemalige Angestellte von Donum Vitae von nun an in bischöflich anerkannten Schwangerenberatungsstellen beschäftigt werden können. Sternberg bedankte sich postwendend für die Anerkennung jener, „die sich in der Schwangerschaftskonfliktberatung engagieren in ihrem entschiedenen Einsatz für das Leben“.
Die Analyse des Textes enthüllt die unschönen Seiten der Scheinargumentation:
▪ Die Aussage Marxens, sowohl der Verband wie auch viele Beraterinnen von Donum Vitae würden sich zweifelsfrei von dem Ziel leiten lassen, Frauen bzw. Eltern für ein Austragen des Ungeborenen zu ermutigen, hat niemand bezweifelt oder gar bestritten. Entscheidend dagegen ist, dass der Münchener Kardinal die Einbettung des Beratungsbemühens in das staatliche Abtreibungssystem ausblendet: Donum Vitae bekommt dafür vom Staat Geld, dass seine Mitarbeiterinnen Beratungsscheine unterschreiben, mit denen die Beratenen ihre ungeborenen Kinder abtreiben können und das auch tun.
▪ Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz weiß um die ethische Problematik dieser unlösbaren Verknüpfung von positivem Bemühen und negativer Mitwirkung an dem Fristentötungsgesetz. Marx hatte seit seiner Bischofsweihe 1996 die moraltheologische Auseinandersetzung zwischen Rom und der DBK detailliert mitbekommen. Wenn er diese negativen Implikationen der staatlich regulierten Schwangerschaftsberatung trotzdem verschweigt, muss er sich dem Vorwurf stellen, Katholiken und katholische Öffentlichkeit täuschen zu wollen.
Kardinal Marx vermittelt in der veröffentlichten Erklärung den Eindruck, als wenn der staatlich alimentierte Beratungsverband Donum Vitae allein dem „Schutz des ungeborenen Menschen“ diente. Da aber nach vergleichbaren Untersuchungen des Caritasverbandes etwa drei Viertel der Beratenen den Schein als Lizenz zur Abtreibung ausgestellt haben will, wird damit ein „Donum mortis“ (Bischof Dyba) – also ein tödliches Geschenk – gegeben und der Lebensschutz vergiftet. Solange Donum Vitae Staatsgelder annimmt für die Ausstellung von Abtreibungsermächtigungsscheinen, gehört der Verband nicht zur Lebensschutzbewegung – und eben auch nicht zur katholischen Kirche.
▪ Ebenso täuschend ist die Erzeugung des weiteren Eindrucks, dass die Tätigkeiten von Donum Vitae gleich zu bewerten wären wie die der kirchlichen Beratungsstellen, die unabhängig von staatlichen Geldern und Auflagen nur dem Lebensschutz verpflichtet sind. Damit verwischt Marx den fundamentalen Unterschied zwischen kirchlichem Bekenntnis und praktischem Eintreten für das unbedingte Lebensrecht einerseits (wie etwa von Kardinal Meisner vorbildlich gehandhabt) und andererseits der Verdunkelung des Lebensschutz-Zeugnisses durch Donum Vitae und die ZdK-Unterstützer. Der Münchener Oberhirte trägt zur Lehr- und Moralverwirrung der Katholiken bei.
Der ZdK-Präsident wie auch einzelne Katholikenverbände haben schon mehrmals darum gebettelt, dass die DBK den hässlichen Makel der außer- und antikirchlichen Ausrichtung von Donum Vitae wegnehmen möchte. War der Brief von Kardinal Marx die erwartete Gefälligkeitsgeste an die Zentrale des Laienkatholizismus? Welche Gegenleistungen wurden dafür im Hintergrund ausgekungelt? Letztlich zeigt aber die vorliegende Textanalyse, dass mit Marxens einseitiger Fokussierung auf das subjektive Bemühen der Donum-Vitae-Leute die zugrundeliegenden Widersprüche des Vereins nicht aufgehoben, allenfalls übertüncht werden. Donum Vitae kann seine Hände nicht in der Unschuld der positiven Ziele reinwaschen. Der Makel bleibt.
Erzbischof Reinhard Marx ist neben den Mitgliedschaften in zahlreichen Kommissionen, Bruderschaften und Verbindungen auch Mitglied im Rotary Club Paderborn – ebenso wie dort Erzbischof Hans-Josef Becker und der ehemalige Generalvikar Kresing eingeschrieben sind. Auch die weiteren aus dem Bistum Paderborn stammenden Bischöfe Algermissen / Fulda und Wiesemann / Speyer sind Mitglieder westfälischer Rotary Clubs. Die sogenannten Service Clubs gelten nicht nur wegen ihrer elitären Exklusivität und des Geheimhaltungsgetues als weitläufig verwandt mit den Freimaurern.
Wenn man Rotary und Donum Vitae in eine Suchmaschine eintippt, ergeben sich mehr als zwei Dutzend rotarische Unterstützungsaktionen für den Beratungsverband in den letzten Jahren. Es scheint in der Ausrichtung der beiden Organisationen eine gewisse Überschneidung zu geben: Man stellt gerne heraus, dass man Gutes tut und humanitäre Hilfen gibt, verschweigt aber Hintergrund und Nebenwirkungen der Aktionen. Hat Kardinal Marx aus dieser rotarischen Haltung heraus Donum Vitae einen moralischen Blankoscheck ausgestellt, dem viele weitere Geldschecks folgen sollen?
https://www.katholisches.info/2018/02/do...reibungssystem/ Text: Hubert Hecker Bild: Tagesschau.de/BR.de/Vatican News (Screenshots) +++ https://aleteia.org/2018/02/05/the-surpr...b_Notifications
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